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© GEPA pictures/Red Bull Content Pool

Weißes Hemd, Designer-Jeans, eine Marken-Sonnenbrille und ein Strahlen im Gesicht – so kennt man ihn im Fahrerlager. Mercedes Formel-1-Teamchef Torger Christian Wolff, allen Motorsport-Fans besser bekannt als »Toto«, ist aber ein eifriger Arbeiter, kühler Stratege, und beinharter Manager. Dennoch hat er nie seine Menschlichkeit abgelegt.

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Wolff ist Sohn eines Rumänen und einer Ärztin aus Polen, die sich auf der Flucht vor dem Kommunismus in den 1960ern in Österreichs Hauptstadt kennenlernten. Sein Vater starb an einem Gehirntumor als Wolff noch Teenager war und der Verlust sowie die dadurch finanziell angespannte Lage sollten ihn prägen. »Ich wollte von niemandem mehr abhängig sein. Ich wusste, dass ich mich auf keinen verlassen konnte«, sagt er. Ungeklärt ist, warum ihm seine Eltern den norwegischen Vornamen Torger gaben. »Wie sie auf diesen Namen kamen, der eigentlich ›Thors Speer‹ bedeutet, weiß ich bis heute nicht.« Schon während der Schule, in der er nicht »der motivierteste Schuljunge« war, wollte Wolff Profirennfahrer werden.

Kumpel Philipp Peter fuhr damals in der deutschen Formel 4 und lud den damals 17-Jährigen auf den Nürburgring ein. »Von der Atmosphäre war ich positiv beeindruckt. Ich liebte die Helden in diesen Autos«, schwärmt er noch heute. Wenig später saß Wolff in einem Formel-Ford-Cockpit. Bei einem Rennen 1994 auf dem Österreichring lag er hinter seinem zwei Jahre jüngeren Freund Alex Wurz und realisierte, »obwohl ich ihm folgen konnte, waren seine Fähigkeiten ganz andere. Ich hatte nicht das Talent dazu.«

Der Businessmann: »Wolff studierte Handelswissenschaften und wurde mit Investmentdeals reich«

© Mercedes AMG F1 Media

Börse statt Piste

Auch seine heutige Ehefrau Susie lernte Wolff im Motorsportzirkus kennen. Die Schottin Susie Stoddart, die von 2006 bis 2012 in der DTM für Mercedes am Start war, heiratete er im Oktober 2011. Mit ihr hat er ein Kind, dazu zwei weitere Kinder aus seiner vorherigen Ehe, und residiert im schweizerischen Ermatingen am Bodensee. Bevor er jedoch in den Motorsport einstieg, galt seine erste Liebe dem Rugby. Wolff schaffte es damals bis ins Rugby-Jugendnationalteam. Nachdem er seine Rennsportkarriere aufgegeben hatte, musste sich der Handelswissenschaftsstudent aber ein neues Standbein suchen und fand es im Investmentgeschäft. »Du musst verstehen, wo deine Talente liegen und wo du erfolgreich sein kannst«, lautete seit jeher seine Strategie.

Und so wirtschaftete er mit Börsengeschäften und Investitionen zur Zeit des Technologie-Booms Ende der 1990er erfolgreich. Wolff gründete 1998 seine Firma Marchfifteen, und später Marchsixteen. Kurioserweise war es genau dieser Bereich, der ihn wieder auf den Grid zurückbringen sollte. Wolff kaufte sich im Laufe seiner Karriere bei mehreren Motorsportteams ein – angefangen bei Baumschlager Rallye & Racing, gefolgt vom deutschen Tuningbetrieb HWA, der aus AMG hervorgegangen ist, Williams Formel 1, einem der drei traditionsreichen Teams des Zirkusses, bis hin zum Mercedes-Benz Formel-1-Team, wo er 30 Prozent der Anteile hält.

Im Sommer 2012 kontaktierte ihn Mercedes-Teamchef-Ross Brawn und »fragte mich, ob ich meine Meinung dazu abgeben könnte, was bei ihnen falsch lief. Ich fühlte mich geehrt und habe versucht, die Situation ordentlich zu analysieren. Ich gab ihnen Feedback und so begannen die Diskussionen.« Wolff kaufte Mercedes-Anteile und wurde zum Managementpartner und Mitgesellschafter. Dabei wurde er zum kongenialen Partner seines »Bosses«, dem Aufsichtsrat-Vorsitzenden Niki Lauda. »Ich war sein Sparringspartner und wurde sein Freund. Seine Präsenz und Unterstützung, ob auf politischer Ebene oder als Sprachrohr, hat uns unheimlich Power gegeben. Er konnte Dinge sagen, die sich andere nicht zu sagen trauten, so direkt und ungeschminkt, nach innen wie nach außen.«

Wolffs Stützen: »Seine Frau Susie und sein »Mentor« Niki Lauda waren immer wichtige Vertraute«

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Gesundheit nie außer acht

Neben seinen Finanzgeschäften blieb Wolff dem Motorsport aber treu. Er fuhr GT-Rennen, Rallye oder Langstrecke, und begann mehrere Fahrer zu managen, darunter auch Valtteri Bottas. Dadurch entstand eine Verbindung zur Formel 1 und auch die Partnerschaft mit Frank Williams. »Ich habe mir die Fabrik angesehen und mich mit Frank getroffen. Er erklärte mir, dass er mir Anteile am Team verkaufen würde.« 2009 stieg Wolff als Teilhaber ein und roch Lunte. Beinahe wäre es aber gar nicht dazu gekommen, denn beim Versuch auf der Nürburgring-Nordschleife einen neuen Rundenrekord für Fahrzeuge ohne Turboaggregat aufzustellen, platzt an seinem Porsche 997 GT3 RSR in der Fuchsröhre bei Vollgas der rechte Hinterreifen. »Ich schlug mit 270 Kilometer pro Stunde ein. Mein Sitz hing nur noch an einer Schraube. Ich riss mir die Geschmacks- und Geruchsnerven ab.«

Als Folge der schweren Gehirnerschütterung wird ihm heute noch schlecht, wenn er in der Nacht Autofahren muss. Wer jährlich 75.000 Flugmeilen sammelt und über 20 Grands Prix absolviert, ganz abgesehen von all seinen anderen Verpflichtungen, muss auf seine Gesundheit achten. »Das ist etwas, was man über sich selbst lernen und die Frühwarnsignale erkennen muss. Ich kenne meine Auslöser und weiß, wie man gegensteuert. Das ist manchmal sehr brutal, weil ich ein paar Tage aussitzen und versuchen muss, zu reflektieren.« Eine Möglichkeit, Stress zu bewältigen, sagt Wolff, besteht darin, die volle Kontrolle darüber zu haben, wann sein Telefon eingeschaltet ist und wann nicht. Wenn es ausgeschaltet ist, kann er nicht kontaktiert werden. Die zweite Säule ist der Schlaf – »mindestens sieben Stunden pro Nacht, egal was ansteht.«

Glück im Unglück: Bei einem Rekordversuch auf der Nordschleife des Nürburgrings crashte Wolff mit 270 Stundenkilometer.

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Große menschliche Qualitäten

Er bezeichnet sich selbst als »Glas-halbleer-Typ, was mein Leben nicht einfacher macht«. Aber in erster Linie ist der 50-Jährige ein Realist und weiß, dass »man die Firma nicht allein lenken, ohne das richtige Team um einen herum nicht erfolgreich sein kann«. Ganz wesentlich für den Mercedes- Motorsportchef ist: Weiterentwicklung – die Erkenntnis, dass man nie ausgelernt hat. »Man ist immer nur so gut, wie das letzte Rennergebnis. Als Erwachsene vergessen wir manchmal, dass wir uns immer noch weiterentwickeln können. Wir sollten nicht stillstehen, auch wenn man schon so alt ist wie ich jetzt.« Daher seien auch Rückschläge ganz normal und nur eine Frage, wie man damit umgeht, was wiederum den Menschen definiere. Und der Mensch an sich ist es, was ihm trotz all der Macht, dem Einfluss, des Geldes, und so weiter am wichtigsten ist. Wolffs Fähigkeit, den Wert von Menschen zu erkennen, ist der Grundstein für seinen Erfolg als Geschäftsmann.

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Es ist offensichtlich, dass menschliche Qualitäten – wie Integrität und Mitgefühl – enorm wichtige Faktoren in der Arbeitsweise von Wolff sind. »Integrität in einer Welt, in der alles transparent ist, bedeutet, dass man seinen eigenen Werten treu bleibt«, sagt er. »Es gibt einfach keinen Millimeter Spielraum für mangelnde Integrität. Und es ist mir so wichtig, dass ich sogar mit einer Person breche, wenn jemand diese im Umgang mit mir missachtet.« Die manchmal herrschende Unehrlichkeit in der Formel 1 ist etwas, das ihn persönlich beleidigt. »Weil ich eine Leidenschaft für den Sport und die Werte des Sports habe. Es ist ein Wettbewerb, der fair ausgetragen werden sollte. Und es gibt einige, die in den letzten Jahren meinen Respekt für immer verloren haben und andere, die ich durch ihr manipulatives, amateurhaftes machiavellistisches Verhalten sehe.

Mit dem festgelegten Preis von 35.000 Euro für eine Box pro Saison, wurde mir ein klägliches Scheitern prognostiziert. Das Gegenteil war der Fall. Innerhalb einer Jahresfrist hatten wir alle Boxen erfolgreich verkauft.

Und dann gibt es Leute in der Branche, die ich sehr respektiere und mit denen ich Freundschaften habe.« Selbstredend zweifeln seine Gegner Wolffs Integrität an, werfen ihm vor, immer wieder die Macht des Automobilkonzerns Mercedes zu nützen. Doch der Österreicher würde niemals gegen seine Überzeugung handeln: »Die Formel 1 ist ein Kampf der besten Fahrer mit den besten Maschinen aus den besten Teams.« Und wohl auch den besten Managern, zu denen Wolff zweifelsohne zählt.

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