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Grenzerfahrung Ironman: Das Kämpferherz des Michael Weiss in Südafrika [Gastbeitrag]

Lesedauer: 5 Minuten

© Oscar Penaranda

Jedes Jahr versuchen sich tausende Sportler auf allen Kontinenten am härtesten Wettkampf der Welt: dem Ironman. Neben körperlichen Extremerscheinungen wie Dehydrierung, Muskelschäden, Erbrechen und Körperentzündungen bringt die mentale Belastung die Athleten aus aller Welt an ihr Limit.

© James Mitchell / Red Bull Content Pool

Ein Gastbeitrag von Mentalcoach Wolfgang Seidl über Grenzerfahrungen mit Triathlet Michael »Michi« Weiss in Südafrika.

Wer den Begriff Ironman kennt, dazu aber keine genaue Vorstellung zu den Distanzen hat, hier die Auflösung: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen machen den Bewerb zum härtesten Wettkampf der Welt. Die schnellsten der Welt schaffen dieses Programm unter acht Stunden. Einer davon ist Michael Weiss: Olympia-Teilnehmer als Mountainbiker 2004 in Athen, XTerra-Weltmeister 2011, vielfacher Ironman-Sieger und bester Österreicher der Langdistanz. Auch mit seinen 42 Jahren mischt er dank seiner langjährigen Erfahrung noch ganz vorne mit.

Michael Weiss: »Was einem professionellen Athleten in dieser Situation durch den Kopf geht, kann sich ein Außenstehender kaum vorstellen«

© Benni Schön

African Championships in Südafrika

Anfang März 2023 durfte ich Michael als langjähriger Wegbegleiter und Mentalcoach erneut zum Saisonauftakt – den African Championships in Port Elizabeth, Südafrika – begleiten. Bei Wettkampfbegleitungen mit Einzelsportlern bin ich nicht nur Mentalcoach, sondern schlüpfe in unterschiedlichste Rollen: Ich bin Koch, Chauffeur, Trainingspartner, Fotograf, Motivator und vieles mehr. Alles was es braucht, um dem Athleten ein optimales Umfeld zu bieten, ihn auf das Rennen vorzubereiten und – soweit möglich – im Wettkampf zu betreuen und coachen, zählt zu meinen Aufgabenbereichen.

Das frühe Rennen in Südafrika ist vor allem für alle Athleten aus der nördlichen Hemisphäre eine große Herausforderung, da die meisten um diese Jahreszeit die Hitze noch nicht gewöhnt sind. Zusätzlich kämpfen viele Sportler am Renntag mit der hohen Luftfeuchtigkeit. Ein weiteres Kriterium in Südafrika sind die rauen Asphalt-Bedingungen, die sich erschwerend auf die 180 Radkilometer auswirken. Trotz dieser Umstände legen die Profiathleten diese Distanz mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 42 Stundenkilometer zurück.

© Benni Schön

Wut, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit

Nun aber zum Wettkampfgeschehen beim Rennen am 5. März 2023. Die Schwimmdistanz musste aufgrund einer Gewitterwarnung auf circa 800 Meter gekürzt werden. Somit waren die Abstände der Athleten überschaubar. Danach ging es auf die erste von zwei Radrunden zu je 90 Kilometer. Nach der ersten Runde mit über 330 Durchschnittswatt und an fünfter Position liegend, hatte Michael einen Reifendefekt, welcher vermutlich durch einen Glassplitter auf der Strecke verursacht wurde. Für einen Profisportler, bei dem Sekunden über Sieg oder Niederlage entscheiden, eine mental enorm herausfordernde Situation. Zwei Stopps und zwei CO2-Patronen später musste er das Hinterrad herausnehmen und auf ein offizielles Motorrad warten, um den Tubeless-Reifen zu tauschen und weiterfahren zu können.

In dieser Phase fühlt sich jede Minute wie eine Ewigkeit an. Man steht am Streckenrand und sieht zu, wie andere Athleten an einem vorbeiziehen. Schwere Beine und der Verlust des gesamten Rhythmus ist die Folge. Was einem professionellen Athleten in dieser Situation durch den Kopf geht, kann sich ein Außenstehender kaum vorstellen. Die Gefühlslage: eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit. Michael verlor in Summe circa zwölf Minuten – im Spitzensport eine Welt. Das Einfachste wäre aufzuhören und das Rennen zu beenden. Was ihn jedoch immer wieder auszeichnet, ist seine mentale Stärke und Kämpfermentalität!

Die große Kunst als Athlet ist es, solche schwierigen Momente zu akzeptieren und sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Nach der Panne stieg er erneut auf sein Zeitfahrrad und startete die Aufholjagd – mit dem Wissen, die verlorenen Minuten nicht mehr vollständig aufholen zu können. Auch die anderen Teilnehmer fuhren an ihrem absoluten Limit und so erreichte Michael die zweite Wechselzone mit einem entsprechenden Rückstand. Viele Athleten würden ihre Motivation verlieren und beim Marathon nicht mehr starten. Er nahm jedoch sein Herz in die Hand und begab sich bei schwülen, fast subtropischen Bedingungen, auf die letzten 42 Kilometer.

Michael Weiss am Shark Rock Pier in Südafrika: »Es zahlt sich immer aus, weiterzukämpfen und nie aufzugeben«

© Wolfgang Seidl

Wettstreit Wille vs. Möglichkeiten

Jeff Galloway, ein ehemaliger amerikanischer Langstreckenläufer, sagte einmal: »Der Marathon ist ein Wettstreit zwischen deinem Willen und deinen Möglichkeiten.« Jeder, der selbst schon einmal einen Marathon lief, weiß, wie hart so ein Rennen werden kann. Der Unterschied zu einem reinen Marathon ist aber, dass die Ironman-Athleten nicht ausgeruht, sondern mit vielen Stunden körperlicher Vorbelastung ins Rennen starten.

Michael zeigte auch im Marathon mentale Stärke, spulte Kilometer um Kilometer ab und versuchte, immer den vor ihm liegenden Kontrahenten einzuholen, um Plätze gut zu machen. Das schaffte er eindrucksvoll und belegte mit einer Marathonzeit von 2:56 Stunden in einem sehr stark besetzen Profifeld Gesamtrang neun. Seine Finisherzeit betrug 7:42 Stunden.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es sich immer auszahlt, weiterzukämpfen und nie aufzugeben. Dieses Motto gilt nicht nur im Sport, sondern in allen Lebenslagen!

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