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Die saudische LIV Golf Tour und das Gleichnis der Doppelmoral

Lesedauer: 8 Minuten

© 2022 L.E.MORMILE/Shutterstock

Der Aufschrei über die neue aus saudischen Geldern finanzierte LIV Golf Tour ist groß. Und natürlich ist die Kritik berechtigt. Aber inwieweit soll er auch von den eigenen Fehlern ablenken?

© Philipp Schuster/Red Bull Content Pool

Ein Blick in die Geschichtsbücher

Der Golfsport stammt in seiner der heutigen Form ähnlichsten Spielart aus Schottland und stand 1457 erstmals im Fokus der Öffentlichkeit als ihn König James II zugunsten des Bogenschießens verbot. Ab dem 16. Jahrhundert war der Erfolgsrun des Sports, dessen Name vom niederländischen Lehnwort im Schottischen »kolv« – und »Schläger« – bedeutet abstammt, nicht mehr aufzuhalten. 1744 gründeten sich die Gentlemen Golfers of Leith in Edinburgh und erstellten die ersten offiziellen Regeln. 15 Jahre später wurde im berühmten St. Andrews das Zählspiel erfunden. 1860 folgte das mit dem »Open Championship«, heute auch British Open, das erste Turnier, und 1894 gründeten die Amerikaner auch ihren Verband, die US Golf Association, trugen im Folgejahr die ersten US Open aus. 1916 wurde die bis heute bestehende PGA Tour ins Leben gerufen, um mehrere Turniere zu einer Serie zu vereinen.

Die European Tour (heute DP World Tour) begann offiziell 1972 und löste sich erst 1984 komplett von der PGA Tour. Alle anderen in der Zwischenzeit entstandenen Touren arrangierten sich mit der PGA und siedelten sich unter den beiden Top-Serien an – anders als die neue LIV Tour. Als erste »Gegenmaßnahme« sozusagen, kündigten die beiden Turnierserien eine »bahnbrechende« Partnerschaft für die nächsten 13 Jahre bis 2035 an. Gleichzeitig wurde erklärt, dass man beim Ryder Cup künftig im amerikanischen Team auf LIV-Golfspieler verzichten wird. Die PGA selbst hat umgehend alle abtrünnigen Golfer gesperrt. Hintergrund ist, dass das wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierte Land Saudi Arabien mit lukrativen Sportveranstaltungen versucht, sein Ansehen aufzubessern.

Bernd Wiesberger: Der österreichische Golfprofi ist einer von vielen abgeworbenen Stars der neugeründeten LIV Golf Tour.

© GEPA pictures / Red Bull Content Pool

Superstars und Millionen

48 Spieler gingen bei jedem LIV-Golfturnier an den Start – deutlich weniger als bei der PGA – und bestritten neben dem klassischen Einzelwettkampf parallel auch eine Teamwertung. Neun bisherige Majorsieger waren bei der neuen Serie dabei. Der ehemalige Weltranglistenerste und Schwiegersohn der kanadischen Eishockey-Legende Wayne Gretzky – Dustin Johnson – ist das Aushängeschild der neuen LIV Tour. Auch der Deutsche Martin Kaymer und der Burgenländer Bernd Wiesberger schlugen bei LIV ab. Letzterer sieht »persönlich auch keinen Konflikt mit der Teilnahme«. Die Kapitäne der zwölf Teams sind die namhaftesten Spieler der Tour und dürfen ihre Mitspieler wählen. Punkte für die Weltrangliste gibt es in der neuen Serie keine.

Im Gegensatz zur PGA Tour wurden bei sieben der acht LIV-Golfevents nur drei 18-Loch-Runden mit insgesamt 54 Löchern gespielt. Zusätzlich wurde auf einen Cut verzichtet und mit Kanonenstart begonnen, um ein schnelleres und spannenderes Spieltempo zu erreichen. Das achte und letzte Turnier war ein viertägiges Team-Match-Play mit K.O.-System. Die Preisgelder bei der LIV Golf Series übertreffen das Budget der PGA Tour bei Weitem. Insgesamt wurden bei den acht Turnieren 255 Millionen Dollar an die Teilnehmer ausgeschüttet. Am Auftaktwochenende in London kassierte der südafrikanische Sieger Charl Schwartzel fast fünf Millionen US-Dollar nach seinen Erfolgen im Einzel- und Teamwettbewerb. Niemals gab es ein Turnier mit höheren Preisgeldern.

Insgesamt wurden bei den acht Turnieren 255 Millionen Dollar an die Teilnehmer ausgeschüttet.

Zum Vergleich: In den letzten fünf Saisonen verdiente der Südafrikaner im Durchschnitt knapp über 65.000 US-Dollar pro Turnier. Durch den fehlenden Cut – also das im Golf übliche Ausscheiden der Mehrzahl an Spielern vor den Finaltagen des Turniers – erhielt jeder Spieler mindestens 120.000 Dollar Preisgeld. »Wo ist der Anreiz, da rauszugehen und sich das Geld im Dreck zu verdienen? Sie bekommen einfach eine Menge Geld im Voraus bezahlt und spielen ein paar Turniere und 54 Löcher«, kritisierte Golf-Superstar Tiger Woods die umstrittene LIV Golf Invitational Series heftig. Aber der 46-jährige Kalifornier ist Amerikaner, ein ehemaliges Wunderkind des amerikanischen Golfverbandes, und hat Millionen am Konto.

Besonders das Drumherum der neuen Serie ärgert Woods: »Sie spielen dröhnende Musik und haben eine ganz andere Atmosphäre.« Die Empörung unter den Fans, aber auch unter eigentlich »Unbeteiligten« ist groß. Zuletzt gingen Familien von Opfern der Anschläge in New York im September 2001 auf die Straße und beschimpften Ex-Präsident Donald J. Trump dafür, dass er Saudi Arabien einst für die Terroranschläge verantwortlich gemacht hatte, jetzt aber die LIV Golf Serie auf seinem Golfplatz spielen lässt.

Tiger Woods verärgert:  »Wo ist der Anreiz, da rauszugehen und sich das Geld im Dreck zu verdienen? Sie bekommen einfach eine Menge Geld im Voraus bezahlt und spielen ein paar Turniere und 54 Löcher.«

© Pixabay

Die Relativität der Berichterstattung

Wo muss man die Grenze ziehen? Sprechen wir hier von Sport oder von Politik? Geht es wirklich um die fragwürdige Moral der Finanzierer der Serie oder nicht vielmehr darum, dass die PGA kein Stück vom Kuchen abgeben will? Mit der Gründung der LIV Tour verliert die allmächtige PGA mit einem Schlag ihr weltweites, praktisch über 100 Jahre langes Monopol im Golfsport. Die LIV Tour ist somit der große Gamechanger, lässt den Machtbereich der PGA bröckeln, und bekommt prompt das Label des »saudischen Image-Reinwaschens« durch Investition im Sport von der der selbst oft recht scheinheiligen Sponsoringwelt umgehängt. Amnesty International spricht davon, dass die Saudis ihr »blutgetränktes Image« durch Sportswashing wieder rein bekommen wollen.

 

Was den Weltfriedensindex betrifft, liegt Saudi Arabien nur einen Rang hinter den USA und noch meilenweit vor Ländern wie Indien, Mexiko oder Israel, die bei uns allesamt ein durchaus gutes Image genießen.

Aber sind die Saudis wirklich die »Bösen«? Ähnliche oder sogar härtere Menschenrechtsverletzungen finden laut Index des UN Human Rights Watch 2022 in China, Ägypten, Thailand oder den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Nach Ägypten oder Thailand zieht es jeden Sommer Millionen von Urlaubern, von der enormen Popularität der VAE-Metropolen Dubai oder Abu Dhabi sowohl bei den Reisenden als auch bei den Wirtschaftstreibenden ganz zu schweigen. Was den Weltfriedensindex betrifft, liegt Saudi Arabien nur einen Rang hinter den USA und noch meilenweit vor Ländern wie Indien, Mexiko oder Israel, die bei uns allesamt ein durchaus gutes Image genießen. Genau jene Art von Funktionären, die Sportgroßveranstaltungen an China, Katar oder Aserbaidschan vergeben, sind die, die nun am heftigsten schimpfen. Auf Saudi Arabien, auf die LIV-Veranstalter, und auf die Golfstars, die gewechselt sind. Aber kann man es einem Profigolfer wirklich verübeln, sich der LIV Tour anzuschließen, wenn er dort ein Vielfaches verdienen kann? Keinen der Golfer kann man als Gierschlund abkanzeln, und ihm vorwerfen, unanständig hohe Alimentierungen anzunehmen. Das Umherwerfen mit Dollar-Millionen ist längst gang und gäbe in anderen Disziplinen, vom Fußball übers Boxen bis zum Tennis.

Nahezu in jeder Meisterschaft sprudelt in irgendeinem Budget eine Quelle aus dem arabischen Raum. Bei Fußball-Topklubs gehört es mittlerweile zum guten Ton, Schulden durch »Partnerschaften« mit Institutionen aus Ländern zu decken, in denen Menschenrechte wenig bis nichts gelten. Und die CEOs der Welt werden auch nur höchst selten verurteilt, wenn sie ein besseres Jobangebot bei einem vielleicht nicht ganz blütenreinen Unternehmen annehmen. Die Reaktionen der PGA auf LIV Golf schrien vor Heuchelei, da viele der eigenen Sponsoren mit Saudi Arabien Geschäfte machen. Und die LPGA wird sogar von Aramco, dem saudischen Energie- und Chemieunternehmen, unterstützt. Der Saudi Public Investment Fund hinter LIV Golf ist sogar am PGA Tour Fanshop beteiligt!

© Pixabay

Wer finanziert LIV Golf?

Die LIV Golf Series, auch Super Golf League genannt, wurde im Jahr 2022 als professionelle Golftour gegründet. Finanziert wird das neue Format vom Public Investment Fund, dem Staatsfonds von Saudi Arabien, der bis 2024 insgesamt zwei Milliarden US-Dollar investieren will. Kopf der LIV Golf Series ist der Golflegende Greg Norman. Der Australier, wegen seiner weißblonden Haare als »The Great White Shark« tituliert, führte in den 1980er- und 1990er-Jahren ewig die Weltrangliste an und ist inzwischen erfolgreicher Geschäftsmann im Golfbusiness. Spieler und Organisatoren der Tour üben sich in einem Dreiklang aus Verharmlosung, Abschwächung und Schutzbehauptung. Angesprochen auf den bestialischen Mord an Journalist Jamal Kashoggi meinte Norman: »Sehen Sie, wir haben alle Fehler gemacht und wollen nun aus ihnen lernen.« Phil Mickelson, der ebenfalls bei der LIV Tour startet, zählte sogar auf: »Wir wissen, dass die Saudis Kaschoggi getötet haben, eine erschreckende Bilanz bei Menschenrechten haben, und Leute umbringen, weil sie homosexuell sind. Aber LIV Golf wird viel Gutes für den Sport tun.« Den mitwirkenden Golfern bescherte die Serie einen Geldregen.

Aber was genau bringt sie den Fans? Oder den Investoren? Und vor allem, dem Golf? Ob das Unterfangen eine Rendite auf die zwei-Milliarden-Dollar-Spritze des Public Investment Fund bringen wird, ist nicht so sicher. Die ersten Veranstaltungen wurden vom TV auf YouTube verbannt, und der Fernsehvertrag war ausgesetzt. Vor Ort kostete ein Parkplatz fürs Wochenende zunächst 75 US-Dollar, aber am Mittwochnachmittag war die Parking Passes im Netz schon um gute drei US-Dollar zu haben.

Die PGA hat viele Jahre mangelnde finanzielle Offenlegung betrieben, hat seinen Führungskräften zu viel gezahlt, und seine Kunden nicht immer standesgemäß betreut. Bei LIV Golf wissen die Sponsoren und Fans genau, wer jedes Turnier spielen wird. 2019 nahm die PGA 1,5 Milliarden US-Dollar ein und zahlte PGA-Kommissar Jay Monahan eine Entschädigung von 8,9 Millionen US-Dollar. Der Nettogewinn der »gemeinnützigen Organisation« betrug im Folgejahr 87 Millionen US-Dollar bei einem Umsatz von 1,16 Milliarden US-Dollar.

Trotz des Umsatzrückganges erhielten die Führungskräfte 34 Millionen US-Dollar an Vergütungen. Die Details dazu sind im Jahresbericht allerdings recht spärlich, worüber sich die Golfer schon seit 2013 beschwerten. Greg Norman, jetzt Boss von LIV Golf, schimpfte damals bereits: »Ich habe jahrelang um eine unabhängige Prüfung gebeten, um sicherzustellen, dass vollständige finanzielle Transparenz besteht, und dies wurde noch nie durchgeführt.« Was LIV Golf (noch) fehlt, ist ein substanzieller Mediendeal. Die PGA hat kürzlich Neunjahresverträge mit CBS, NBC und ESPN+ unterzeichnet, um bis 2030 Berichterstattung über Veranstaltungen auszustrahlen. Er soll den TV-Stationen 700 Millionen US-Dollar pro Jahr wert gewesen sein, was sich im Laufe der Jahre auf mehr als sechs Milliarden US-Dollar beläuft.

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