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Vom Lungauer Bauernbub zum Jahrhundertfußballer: Heimo Pfeifenberger prägte die goldene Ära der Salzburger Austria maßgeblich – und ist dem Fußball bis heute als Trainer verbunden. Ein Gespräch über prägende Wegbegleiter, schmerzhafte Brüche und die Frage, was vom Mythos Austria Salzburg geblieben ist.
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Mehr InformationenIn der 20. Folge des Zwischenstopp spricht Alexander Friedl und Markus Sieger im Rahmen eines Live-Podcasts mit Heimo Pfeifenberger über die glorreichen Jahre bei Austria Salzburg, einflussreiche Weggefährten wie Heribert Weber, Otto Barić und Hans Krankl, sowie den Einstieg von Red Bull in den Profifußball inklusive eines folgenschweren Platzsturms.
Warum seine Trainerstation beim litauischen Meister chaotisch verlief und wie er zu einem möglichen Comeback bei Austria Salzburg steht, all das erzählt der gelernte Bürokaufmann im Hintergrundgespräch.
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Herr Pfeifenberger, was würde der junge Heimo, der »Bauernbub« aus Zederhaus, heute zu Ihrem Karriereweg sagen?
Ehrlich gesagt, war das für mich nie selbstverständlich. Damals in Lungau hätte wohl niemand damit gerechnet, dass ich einmal im Profifußball lande – am wenigsten ich selbst. Ich hatte großes Glück in meiner Karriere. Viele Menschen haben mehr an mich geglaubt als ich selbst. Oft haben sie wichtige Entscheidungen für mich getroffen – und in den meisten Fällen waren es genau die richtigen. Dafür bin ich sehr dankbar. Es ist ein großes Geschenk, das alles erlebt haben zu dürfen.
Sie stammen aus einer ländlichen Gegend, in der harte Arbeit und Bodenständigkeit zum Alltag gehören. Zudem haben Sie eine Lehre als Bürokaufmann absolviert. Inwiefern haben Sie diese Erfahrungen geprägt?
Diese Wurzeln haben mich stark geprägt. Als ich in den Profifußball kam und ein wenig in der Öffentlichkeit stand, war es mir wichtig, die Bodenständigkeit nicht zu verlieren. Ich wollte der Mensch bleiben, der ich auch im Elternhaus in Zederhaus im Lungau war. Ich glaube, das ist mir über weite Strecken gut gelungen.
Natürlich gibt es Phasen – gerade als junger Spieler mit ersten Erfolgen – in denen man etwas abhebt. Aber das ist normal. Solche Erfahrungen braucht man, um daraus zu lernen. Ich erinnere mich gut: In Salzburg bin ich oft einfach heimgefahren in den Lungau, dort eine Runde laufen gegangen – und kam als neuer Mensch zurück. Das waren wichtige Rituale. Die Rückkehr zu meinen Wurzeln hat mir in vielen Situationen geholfen.
Unsere größte Stärke war unsere Nahbarkeit.
Ihr Name steht wie kaum ein anderer für den österreichischen Fußball der 1990er-Jahre. Als Spieler haben Sie die goldene Ära des SV Austria Salzburg maßgeblich mitgeprägt. 1992 sind Sie nach vier Jahren beim SK Rapid zu Austria Salzburg zurückgekehrt und wurden Teil einer Mannschaft, die Geschichte schrieb – mit zwei Meistertiteln, dem UEFA-Cup-Finale und der Champions-League-Teilnahme. Was war das Besondere an diesem Team?
Wir waren einfach eine richtig starke Truppe, die irgendwann verstanden hat, dass man nur gemeinsam etwas erreichen kann. Damals hatten wir unsere Führungsspieler – allen voran Heribert Weber, unser Kapitän, der uns im Grunde erzogen hat. Und dann gab es Otto Konrad, der vielleicht nicht der Beliebteste war, aber Dinge klar angesprochen hat – genauso wie Christian Fürstaller. Diese Typen haben uns geprägt, besonders wenn wir Dinge mal zu locker genommen haben. Und natürlich waren da noch die Erfolgsgaranten Rudi Quehenberger und Otto Barić.
Irgendwann haben wir alle begriffen: Nur wenn wir gemeinsam Gas geben, können wir erfolgreich sein. Ein großer Vorteil war sicher auch, dass acht oder neun Salzburger in der Mannschaft standen. Wir haben uns nie abgekapselt, sondern sind offen aufeinander zugegangen – so ist das Ganze organisch gewachsen.
Unsere größte Stärke war unsere Nahbarkeit. Die Leute konnten sich mit uns identifizieren. Sie haben mit uns im Stadion Siege gefeiert und manchmal auch Niederlagen. Wir waren eng bei den Fans, das hat man gespürt.
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1994 war für Sie ein Ausnahmejahr: Sie wurden Torschützenkönig, Fußballer des Jahres und standen im UEFA-Cup-Finale. Wenn Sie auf dieses Jahr zurückblicken – welcher Moment ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Das Jahr hat für mich eigentlich nicht gut begonnen. Ich hatte eine Mandeloperation hinter mir und im Herbst mit einer Formkrise zu kämpfen. Die Stimmung war schwierig, im eigenen Stadion wurde ich stellenweise sogar ausgepfiffen. Im Frühjahr wurden meine Leistungen wieder besser – vor allem international und das Saisonfinish war dann richtig stark. Am Ende wurde ich sogar Torschützenkönig – gemeinsam mit Nicola Jurcevic. Das war für mich etwas Besonderes.
Ein Spiel ist mir besonders in Erinnerung geblieben: das letzte der Saison. Wir waren bereits Meister und haben zu Hause gegen Admira Wacker gespielt. Wir gewannen 2:0, ich erzielte beide Tore – beide waren später in der Auswahl zum »Tor des Monats«.
Sie wurden Meister, Supercupsieger, Torschützenkönig, Fußballer des Jahres – und 2020 als Salzburgs Jahrhundertfußballer geehrt. Welchen Stellenwert hat diese Auszeichnung für Sie?
Ich höre es zwar nicht so gern, aber natürlich ist es etwas Besonderes für mich. So eine Auszeichnung ist nicht selbstverständlich – vor allem, weil wir damals viele starke Persönlichkeiten in der Mannschaft hatten, die genauso zum Erfolg beigetragen haben. Irgendjemanden musste man wählen – das war dann eben ich (lacht).
Was meine Titel betrifft: Ich war vier Jahre bei Rapid. In dieser Zeit haben wir keinen einzigen Titel geholt. Das wurmt mich heute noch. Wir standen zweimal im Cupfinale und haben beide verloren – unter anderem gegen Stockerau, damals ein Zweitligist. Das hat lange an mir genagt. Der erste Meistertitel mit Salzburg war dann ein großes Highlight. Auch wenn ich rückblickend sagen muss: Ein oder zwei Meistertitel mehr hätte ich mir schon gewünscht.
Die Situation ist komplett eskaliert.
Als Sie 2005 Nachwuchsleiter bei Austria Salzburg waren, kamen erste Gerüchte über einen möglichen Einstieg von Red Bull auf. Wie haben Sie diese Entwicklungen damals erlebt?
Da war ich noch nicht direkt dabei. Ich war zwar vorher schon im Nachwuchs aktiv, quasi als Nachwuchschef, aber nur kurz. Im Oktober 2004 habe ich mit 38 meine Karriere bei Salzburg beendet und wurde direkt Nachwuchsleiter. Schon im Februar 2005 wurde ich wieder entlassen, weil ich die Transferstrategie kritisch gesehen habe.
Im Mai 2005, als Red Bull offiziell eingestiegen ist, wurde ich zurückgeholt und war wieder als Nachwuchschef Teil des Klubs. Ich habe von Anfang an miterlebt, wie sich alles entwickelt hat. Anfangs war das fast surreal. Mit solchen Dimensionen, die im österreichischen Fußball völlig neu waren, hatte niemand gerechnet. Man hat sofort gemerkt: Die meinen es ernst.
Als Sie bei Red Bull aktiv waren, wurde Ihnen Heinz Hochhauser als Nachwuchschef vor die Nase gesetzt. Hat Sie diese Situation enttäuscht – gerade auch mit Blick darauf, wie dieses Kapitel schließlich zu Ende ging?
Nein, gar nicht. In Wahrheit bin ich selbst gegangen. Heinz wollte, dass ich bleibe, und ich habe auch noch ein Jahr länger gemacht. Aber am Ende war es meine Entscheidung, nach Grödig in die Regionalliga zu gehen. Das war ein mutiger Schritt, weil dort noch nichts aufgebaut war. Aber ich habe für mich beschlossen: Ich will Trainer werden.
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Die Übernahme durch Red Bull war in der Fanszene sehr umstritten. Sie waren bei den Gesprächen zwischen den beiden Parteien dabei. Wie haben Sie den Dialog erlebt?
Das war keine einfache Situation. Wenn Red Bull heute noch einmal in so ein Projekt einsteigen würde, würde vieles sicher anders laufen. Damals war Red Bull noch neu im Fußballgeschäft – und auch auf Seiten der Fans, vor allem bei den organisierten Gruppen, lief nicht alles optimal.
Das Thema hat das Bundesland gespalten. Irgendwann hat man gemerkt: Das wird nichts mehr – da führt kein Weg mehr zusammen. Die Situation ist komplett eskaliert. Ich erinnere mich gut an den ersten öffentlichen Auftritt der neuen Red-Bull-Mannschaft. Ich war damals als Co-Kommentator im Einsatz, und plötzlich – ich glaube, es war in der 20. Minute – stürmten Salzburg-Fans den Platz. Im Eifer des Gefechts habe ich live gesagt: »Das sind doch alles Vollidioten« – was natürlich nicht förderlich war.
Sie zählen zu den größten Legenden des Salzburger Fußballs. Einen offiziellen Legendenklub oder Ähnliches sucht man jedoch vergeblich.
Ja, so etwas ist immer etwas Schönes. Es ist besonders, wenn sich ehemalige Spieler regelmäßig treffen. In Salzburg war das aber eine eigene Geschichte. Gerade für uns – die Mannschaft von ’94, die in ganz Österreich beliebt war und den Fußball dieser Zeit stark geprägt hat – gab es irgendwann einfach keinen Platz mehr. Red Bull hat komplett neu angefangen, und wir passten nicht ins neue Konzept – was auch nachvollziehbar ist. Gleichzeitig konnten wir uns mit der neugegründeten Austria nicht identifizieren. Auch von dort kam anfangs scharfe Kritik, teils sogar Beschimpfungen.
Am Ende sind wir durch den Rost gefallen – und das finde ich schade. Es war eine außergewöhnliche Mannschaft, mit großartigen Typen auf und neben dem Platz. So etwas gibt es heute nicht mehr.
Der Präsident kam unangekündigt in die Kabine und faltete die Mannschaft zusammen.
Lassen Sie uns auf deine Trainerkarriere blicken: Wie haben Sie den Übergang vom Spieler zum Trainer erlebt?
2007 habe ich in Grödig die Chance bekommen, die Regionalliga-Mannschaft zu übernehmen – mit dem klaren Ziel, im ersten Jahr aufzusteigen. Das hat gut funktioniert, wir sind sofort aufgestiegen. Ich war dann eineinhalb Jahre in Grödig, allerdings kam es zu Reibereien mit dem Sohn des Präsidenten. Im Winter wurde ich freigestellt, ein Jahr später wieder zurückgeholt. Die Mannschaft war in der Zwischenzeit abgestiegen und ich habe sie erneut in die zweite Liga geführt. Nach zwei Jahren bin ich in die Bundesliga nach Wiener Neustadt gewechselt, wo ich weitere zweieinhalb Jahre als Trainer gearbeitet habe.
Wer waren für Sie die inspirierendsten Trainer während Ihrer Laufbahn als Profi?
Natürlich Otto Barić. Er war ein Fachmann und ein großartiger Motivator. Besonders beeindruckt hat mich, mit welcher Leidenschaft er Spiele analysiert und die Mannschaft vorbereitet hat. Er hat der Mannschaft viele Freiheiten gelassen. Wenn wir im Flow waren, hat er uns auch mal zwei, drei Tage trainingsfrei gegeben – Hauptsache, die Mannschaft war frisch. Diese Herangehensweise habe ich mir später abgeschaut.
Ein besonderes Kapitel war für mich auch Hans Krankl – mein Idol als Spieler. Er war drei Jahre mein Trainer bei Rapid, und ich hätte alles für ihn gegeben. Dann Hans Backe – ein echter Gentleman. In Bremen hatte ich mit Wolfgang Sidka einen Trainer, mit dem ich persönlich nicht so gut zurechtgekommen bin, obwohl er mich geschätzt hat. Es gab noch viele weitere Persönlichkeiten, von denen ich viel lernen durfte – allen voran Herbert Prohaska als Teamchef. Ein cooler Typ, von dem ich menschlich wie fachlich profitiert habe.
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Im Januar 2020 haben Sie das Traineramt beim litauischen Meister Sūduva Marijampolė übernommen. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Schritt ins Ausland zu wagen?
Ich war damals beim WAC, wo ich zweieinhalb Jahre Trainer war. Danach war ich kurz Co-Trainer bei der U16-Nationalmannschaft. Dann kam Max Hagmayr auf mich zu und meinte, er hätte eine Möglichkeit für mich in Litauen. Anfangs konnte ich damit nicht viel anfangen, aber nachdem ich mich informiert hatte – dreimaliger litauischer Meister in Folge – dachte ich mir: Warum nicht? Probier’s mal. Es war etwas ganz anderes: raus aus der Komfortzone, den Horizont erweitern.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
Die Zeit war zwar kurz, aber für mich eine große Erfahrung. Alles auf Englisch – da musste ich mich sprachlich strecken. Die Mannschaft war international besetzt, viele Spieler, die bei anderen Klubs disziplinär gescheitert waren, aber fußballerisch stark. Für mich als Trainer war es eine spannende Herausforderung.
Der Präsident war bodenständig, hatte eine kleine Fensterfirma – im Klub war er der Taktgeber. Er kam unangekündigt in die Kabine und faltete die Mannschaft zusammen, ohne mich vorher zu informieren. Ich habe nicht einmal verstanden, worum es ging, da er kein Englisch konnte. Sein Sohn hat für die Spieler und mich übersetzt. Irgendwann sagte ich zu ihm: »Es wäre gut, wenn ich wüsste, worum es geht, bevor du reingehst.« Seine Antwort: »Das interessiert mich nicht, ich entscheide das.«
Es ist mir egal, ob ich eine U14 trainiere oder in der Bundesliga arbeite.
Ihre Zeit bei Sūduva endete nach nur zwei Spielen. Warum?
Es kam Corona, wir wurden nach Hause geschickt, haben Onlinetrainings gemacht, und plötzlich wurden die Gehälter nicht mehr bezahlt. Die Spieler beschwerten sich zu Recht. Ich versuchte, das mit dem Präsidenten zu klären, schrieb ihm eine E-Mail – das gefiel ihm offenbar nicht. Aber trotz allem: Es war eine wertvolle Erfahrung.
Sie sind aktuell Cheftrainer des FC Puch in der Salzburger Liga. Was reizt Sie an dieser Aufgabe besonders?
Das ist für mich Ausgleich. Es geht um Emotionen, um das Ausleben der Leidenschaft – und darum, im Amateurfußball etwas weiterzugeben. Der Fußball hat mir viel gegeben, und ich habe mir gesagt: Ich will auch etwas zurückgeben.
Deshalb ist es mir egal, ob ich eine U14 trainiere oder in der Bundesliga arbeite. Ich bin mit derselben Leidenschaft, mit denselben Emotionen dabei. Nach einem Spiel – selbst wenn es nur in der Salzburger Liga ist – bin ich emotional genauso aufgewühlt wie früher in der Bundesliga. Ich kann dann auch nicht schlafen. Das zeigt mir, dass die Leidenschaft noch da ist. Es ist ehrlich gemeint, und ich mache es aus Freude. Aber das Kapitel in Puch endet in diesem Sommer.
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Sie haben Ende letzten Jahres auch Gespräche mit dem SV Austria Salzburg geführt. Wie nah waren Sie an einer Rückkehr und ist das Kapitel für Sie abgeschlossen?
Im Dezember gab es Gespräche mit dem Präsidenten, dabei wurde immer wieder angedeutet, dass ich als Wunschkandidat gelte. Inzwischen hat es jedoch länger kein Gespräch mehr gegeben. Deshalb ist es für mich aktuell kein Thema. Wenn konkretes Interesse bestanden hätte, hätte man sich wohl gemeldet und weitere Gespräche geführt – so gehe ich davon aus, dass das Thema erledigt ist.
Wo sehen wir Sie in ein paar Jahren?
2018 habe ich mich vom Profifußball, von der Bundesliga, verabschiedet. Und jetzt werde ich bald 60 – da wird nicht mehr viel kommen. Es kommt eine neue Generation nach, und das ist auch gut so. Sollte doch noch einmal etwas kommen, wird man sehen, wohin der Weg führt.
Herr Pfeifenberger, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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