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Formel-1-Ingenieur Philipp Brändle: »Innerhalb des Teams waren viele für Nico Rosberg« [Exklusiv]

Lesedauer: 7 Minuten

© Manfred Noger

Weltmeister, TV-Experte und Sporthändler: Philipp Brändle machte sich als langjähriger Aerodynamiker von Lewis Hamilton in der Königsklasse des Motorsports einen Namen und brach mit Mercedes fast alle Rekorde. Ein Gespräch über den harten Weg in die Formel 1, die Rivalität zwischen Hamilton und Rosberg sowie seine Leidenschaft als TV-Experte.

© Manfred Noger

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Das Mercedes-AMG Petronas F1 Team brach in den ersten sechs Jahren der Hybrid-Ära sämtliche Rekorde der Formel 1. Unter der Leitung der Österreicher Toto Wolff und Niki Lauda feierte der Rennstall von 2014 bis 2019 insgesamt sechs Weltmeistertitel, 89 Siege, 180 Podestplätze und 94 Pole-Positions. Mit dabei war auch ein dritter Österreicher: Philipp Brändle – ein bodenständiger Typ aus der 700-Einwohner-Gemeinde Klösterle am Arlberg, der als Aerodynamik-Ingenieur maßgeblichen Anteil an den zahlreichen Erfolgen hatte.

Für das Sport Business Magazin treffen wir den Vorarlberger zum Exklusiv-Gespräch, um mit ihm über seinen wahrgewordenen Traum von der Formel 1 sowie sein Leben als Servus-TV-Experte und Unternehmer zu sprechen.

© Philipp Brändle

Herr Brändle, wann haben Sie Ihre Liebe zum Motorsport entdeckt?

Meine Familie hat sehr viel Benzin im Blut. Mein Onkel war Formel-3-Fahrer. Als ich noch ein kleiner Junge war, habe ich immer Formel 1 mit meinem Vater und Großvater geschaut. Zusätzlich haben mich Flugzeuge fasziniert. Beide Bereiche konnte man mit dem Begriff »Aerodynamik« verknüpfen. Deshalb wollte ich in diese Richtung gehen.

Nach meiner Schulzeit in der HTL entschloss ich mich, an der TU München Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren, wo auch die Fächer Aerodynamik und Regelungstechnik gelehrt wurden. Der Traum, irgendwann in der Formel 1 zu arbeiten, wurde realistischer.

Ich hatte kein Problem, 14 bis 16 Stunden pro Tag zu arbeiten.

Wie sind Sie zu Mercedes in die Formel 1 gekommen?

Es gab für die ausgeschriebene Stelle 100 Bewerbungen und am Ende nur vier Zusagen. In der sechsmonatigen Probezeit musste ich mich behaupten. Welchen Titel du als Ingenieur hast, ist egal, es zählte nur die Leistung. Mein Motto lautete: No fear of failure. Man durfte Fehler machen, aber nicht denselben zweimal. Wichtig war, daraus zu lernen. Der Druck war da, aber ich spürte ihn aufgrund meiner Motivation kaum. Ich hatte kein Problem, 14 bis 16 Stunden pro Tag zu arbeiten. Die Formel 1 ist ein Spielplatz für Ingenieure.

Wie viel verdient ein Ingenieur in der Formel 1 und gab es Erfolgsprämien?

Das Einstiegsgehalt liegt bei 1.500 Pfund netto. Ich bekam allerdings jedes Jahr eine Gehalterhöhung. Am Ende der sechs Jahre war ich bei einem Grundgehalt von 3.000 Pfund netto. Zusätzlich gab es Prämien für die Platzierung in der Konstrukteurswertung: für den WM-Titel 10.000, für den zweiten Platz 6.000 und für den dritten Rang 4.000 Pfund brutto.

© Philipp Brändle

Wie sieht die Arbeit eines Aerodynamikers in der Formel 1 aus?

Ein Aerodynamiker zeichnet und entwirft Teile in einem Computerprogramm mit dem Ziel, das Formel-1-Auto zu verbessern: mehr Abtrieb und weniger Luftwiderstand. Die gezeichneten beziehungsweise entworfenen Teile werden in einem CFD-Programm (Computational Fluid Dynamics; Anm. d. Red.) auf ihr Strömungsverhalten analysiert. Bei positivem Feedback werden die Teile produziert und im Windkanal getestet. Vier Wochen später erhält das Team die Antwort, ob das Auto dadurch optimiert wird. Meine Erfolgsquote lag beinahe bei 100 Prozent, fast alle Teile konnten wir ans Auto bringen.

In welchen Abteilungen haben Sie bei Mercedes gearbeitet?

Nach meiner Zeit als Entwicklungsingenieur in der Aerodynamik-Abteilung war ich drei Jahre in der Aero Performance Group, also als Rennstrecken-Aerodynamiker unterwegs. Meine Aufgabe war es unter anderem, vor dem Grand Prix Daten an der Strecke zu sammeln, um ein geeignetes Aerodynamik-Setup für das Rennen zu finden. Wenn ich am Rennwochenende nicht an der Strecke war, analysierte ich im Race Support Room Daten. Es ging darum, die gesammelten Daten aus den Windkanaltests auf das Formel-1-Auto beziehungsweise den Simulator zu übertragen.

Jeder wusste, wir können uns nur selbst schlagen.

Wie haben Sie die Rivalität zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg wahrgenommen?

Es gab zwei Lager. 2016 waren viele innerhalb des Teams für Nico, weil Lewis bereits zweimal die Weltmeisterschaft mit Mercedes gewonnen hatte. Jeder wusste, wir können uns nur selbst schlagen. Sie haben sich gegenseitig positiv angestachelt. Der Crash in Barcelona mit zwei geschrotteten Autos war der Tiefpunkt für das gesamte Team. Danach wurde beschlossen, dass die Positionen bei einer Doppelführung eingefroren werden.

Nico hat in diesem Jahr alles dem Ziel untergeordnet, den meiner Meinung nach besten Rennfahrer zu schlagen, da musste selbst die Familie Tribut zollen. Dies war auch der Grund für seinen Rücktritt.

Wie war Ihre Zusammenarbeit mit den Formel-1-Piloten?

Ich hatte die Gelegenheit, an der Strecke mit ihnen zu arbeiten und durfte ihnen aerodynamische Dinge erklären. Ein Fahrer wie Rosberg konnte damit eher etwas anfangen, weil er technisch versierter ist. Hamilton dagegen ist ein Gefühlsmensch, der musste das Auto »spüren«.

© ServusTV / Neumayr / Leo

Welche Personen waren für den Erfolg im Team wichtig und welche Rolle spielten Toto Wolff sowie Niki Lauda?

Toto ist ein toller Mensch und kann ein Team super führen. Niki war sein Sparringpartner. Beide waren einander wichtig. Es ist cool, als einer von drei Österreichern bei Mercedes gewesen zu sein und die anderen zwei heißen Toto Wolff und Niki Lauda.

Ansonsten möchte ich Mike Elliott und James Allison herausheben. Elliott verstand das Fahrzeug insgesamt am besten. Allison konnte als ruhiger und bescheidener Typ komplexe Sachverhalte einfach erklären.

Die Engländer brauchten einen Animateur zum Feiern, diese Rolle habe ich gerne übernommen.

Welche Momente blieben Ihnen besonders in Erinnerung?

Partys innerhalb des Teams hat es bei Weltmeisterschaftssiegen oft gegeben. Es ging von der Fabrik direkt in einen Club in Oxford und dauerte oft bis zum Sonnenaufgang. Die Engländer brauchten einen Animateur zum Feiern, diese Rolle habe ich gerne übernommen.

Zum Abschied bekam ich ein Stück des W-Floor, unterschrieben von 150 Kollegen. Es handelt sich dabei um ein von mir entwickeltes Unterbodenkonzept aus dem Jahr 2016, das uns einen enormen Performancevorteil brachte und daher bis heute einen besonders emotionalen Wert für mich hat.

© Philipp Brändle

Wieso haben Sie die Formel 1 Ende 2019 verlassen?

Ich wollte rechtzeitig nach Hause kommen, um das Erbe des Familienbetriebs – Sport- und Modegeschäft »Friendly Brändle« – antreten zu können. Bis heute mache ich meinen Beruf aus Leidenschaft aufgrund der Verbindung zum Sport. Skifahren, Fußball sowie Formel 1 sind und bleiben meine Lieblingssportarten.

Mir bedeutet die Frage »Wie geht’s dir?« noch etwas.

Wie ist Philipp Brändle privat?

Ich fühle mich sehr wohl mit Frau und Kind. Aber auch zu meinen Eltern und meinem Bruder habe ich ein sehr enges Verhältnis. Wir leben alle im selben Haus.

Privat bin ich genauso, wie ich mich auch in der Öffentlichkeit gebe: offen, herzlich und manchmal auch witzig. Es ist mir wichtig, für mein Umfeld, meine Mitmenschen und etwaige Wegbegleiter da zu sein. Mir bedeutet die Frage »Wie geht’s dir?« noch etwas. Manche Menschen drehen sich bereits während der Antwort um, weil sie erwarten, dass alles in Ordnung ist.

© ServusTV / Neumayr / Leo

Wie kamen Sie zu Ihrem Job als TV-Experte?

Servus TV gab mir die Möglichkeit, als »Experte« in der Formel 1 zu bleiben. Das hätte ich mir ehrlich gesagt, nie erträumt. Die Idee kam bei einer Begegnung mit Christian Klien in meinem Shop am Arlberg. Wir tauschten uns aus, was er im Sommer macht. Er erzählte mir von seiner Tätigkeit bei Servus TV. Dann war meine Überlegung: Was wäre, wenn neben den Fahrern auch ein Ingenieur als Experte fungiert und andere Einblicke gibt?

Eine Tätigkeit, die Ihnen abseits des Familienbetriebs Spaß macht?

Der Job macht mir sehr viel Spaß. Vor allem können wir gemeinsam sehr viel lachen. Matthias Lauda ist sehr nahbar, mit ihm kannst du über Gott und die Welt reden. Zwischen Philipp Eng und mir harmoniert es super, obwohl ich ihn vorher nicht kannte. Und Nico Hülkenberg hatte sowieso immer einen Spruch auf den Lippen. Er hat es sogar geschafft, dass ich innerhalb eines Winters zehn Kilo abnahm, weil er Witze über meine Figur machte.

Herr Brändle, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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