Alexander Manninger: »Gespielt habe ich lieber als zugesehen« [Exklusiv]

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Gianluigi Buffon, Thierry Henry, Jürgen Klopp und Arsène Wenger – dieser Mann kennt sie alle: Alexander Manninger. Das Erfolgsrezept des ehemaligen Torhüters: eiserne Disziplin, Zielstrebigkeit und die bewusste Entscheidung, sich selbst auch einmal hintenanzustellen.

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Mit nur 19 Jahren war Alexander Manninger der erste Österreicher, dem der Sprung in die englische Premier League gelang. Arsenal war der erste von zahlreichen Spitzenklubs, für die der ehemalige Torwart auflaufen durfte. Es folgten weitere namhafte Vereine in Italien und Deutschland, bei denen der gelernte Tischler oft als Ersatztorhüter galt. Dennoch führte ihn sein Karriereweg bis nach Liverpool, wo er im Alter von 40 Jahren unter Trainer Jürgen Klopp seine 22-jährige Laufbahn als Profi beendete.

Wir haben Manninger im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Universitätslehrgang Sportjournalismus zum Exklusiv-Gespräch in Salzburg getroffen, um mit ihm über seine Anfänge, sein Leben im Ausland, die Zusammenarbeit mit Jürgen Klopp und sein Familienglück zu sprechen.

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Herr Manninger, Sie haben eine beeindruckende internationale Karriere hinter sich. Sie waren der erste Österreicher in der Premier League – wie kam es dazu?

Ich hatte einen eher ungewöhnlichen Weg. Mit 15 habe ich meinen Pflichtschulabschluss gemacht und anschließend eine Tischlerlehre begonnen. Damals gab es keine Garantie, dass es mit dem Profifußball klappen würde, aber motiviert war ich schon immer. Ich habe immer ein bisschen mehr gemacht als andere: war früher beim Training und bin länger geblieben. Beim GAK nahm meine Fußballkarriere Fahrt auf, und dort wurde ich schließlich für Arsenal gescoutet.

Mit 20 Jahren gingen Sie nach London zu Arsenal. Wie haben Sie diesen ersten Schritt ins Ausland erlebt?

Damals war ich einer der wenigen jungen Spieler in der Kabine. Da hieß es, um Erlaubnis fragen, um Ratschläge bitten – sich hintenanzustellen. Es war eine riesige Erfahrung, als erster Österreicher in England zu spielen. Man darf nicht vergessen: Es war eine ganz andere Zeit. Mein Schulenglisch war mit heutigen Standards kaum vergleichbar. Ein Navi gab es noch nicht, was einem die Orientierung erleichtert hätte. Ich war fast froh, wenn wir Mittwoch und Samstag Spiele hatten und dazwischen zweimal Training – da hatte ich gar keine Zeit, nach London in die Stadt zu fahren oder mich zu verabreden.

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Sie sprechen vom Hintenanstellen. Bei den »Gunners« haben Sie erstmals mit großen Namen gespielt. Gab es Spieler, die Ihnen den Einstieg erleichtert haben?

Die Torwart-Community war natürlich hilfreich. Wir waren zu viert oder fünft mit dem Torwarttrainer und haben intensiv Zeit miteinander verbracht – das hilft, wenn man Leute hat, die Ähnliches erleben. Damals waren auch einige Niederländer im Team, was die Kommunikation für mich erleichtert hat. Marc Overmars oder Dennis Bergkamp zum Beispiel – mit ihnen habe ich auch nach dem Training etwas unternommen. Ich kann schon sagen: Mir wurde der Einstieg relativ leicht gemacht.

Nach Arsenal folgten Stationen wie Bologna, Juventus, Augsburg und Liverpool. Nicht immer waren Sie die Nummer eins. Wie sind Sie damit umgegangen?

Das stimmt. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, auf höchstem Niveau zu spielen. Ich bin ins Ausland gegangen, weil ich den besten Fußball erleben wollte. Ich hätte ja auch bei einem kleineren Verein oder daheim bleiben können. Aber wenn ich schon Opfer bringe – Familie und Freunde zurücklasse, meine Komfortzone verlasse –, dann muss es eben ein Klub wie Juventus oder Arsenal sein.

Natürlich wusste ich, dass es da einen anderen Torwart geben würde, der vor mir steht. Ich habe die Situation oft mit einer Verletzung verglichen: Wenn ich nicht spielte, nutzte ich die Zeit, um Schwächen zu verbessern, Sprachen zu lernen oder andere Dinge zu tun. Ich habe mir oft gesagt: Der Einser wird ja auch mal ausfallen. Aber klar, gespielt habe ich lieber als zugesehen.

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Und trotzdem klingt es so, als wären das immer bewusste Entscheidungen gewesen.

Absolut. Ich habe nicht jede Woche gespielt, aber doch einige Einsätze gehabt – auf höchstem Niveau. Als ich dann in Siena oder Florenz war, sind auch die großen Vereine auf mich aufmerksam geworden, die vielleicht einen 1B-Torhüter suchten.

Ich vergleiche einen Fußballverein gerne mit einem Unternehmen. In einer kleinen Firma muss man sich fragen: Kommt das Gehalt? Gibt es die Firma nächstes Jahr noch? In großen Klubs stehen hunderte Leute dahinter, dass alles läuft – das gibt eine gewisse Sicherheit. Ich habe nicht nur sportlich gedacht, sondern auch an meine Zukunft.

Das klingt, als hätten Sie auch negative Erfahrungen gemacht?

Ja, 2002 beim AC Florenz. Der Verein ging am Saisonende in Konkurs. Zu einem anderen italienischen Klub wollte ich nicht mehr – zu unsicher. Ich sah eine neue Herausforderung bei Espanyol Barcelona. Eigentlich stand ich aber noch bei Arsenal unter Vertrag, wollte aber nicht zurück, da es dort keine Perspektive gab. Ich war vier Wochen bei Espanyol, bis mir ein englischer Journalist sagte, ich sei gar nicht registriert. Tatsächlich war der Verein zu der Zeit blockiert, neue Spieler zu verpflichten. Sie konnten mich de facto nicht aufnehmen. So war ich sechs Monate vereinslos und habe nichts verdient. Ich hatte noch Vertrag bei Arsenal, durfte aber bei Espanyol nicht unterschreiben.

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Ein Verein, bei dem Sie solche Probleme wohl nicht hatten, war der FC Liverpool, ihre letzte Station im Profifußball. Stimmt es, dass ein Anruf von Jürgen Klopp eine Rolle spielte?

Das stimmt. Zwei Tage vor dem letzten Spiel bei Augsburg wurde mir gesagt, ich sei zu alt. Aber ich wollte noch weitermachen, fühlte mich fit, besprach das auch mit meiner Agentur. Als die Anfrage von Liverpool kam, dachte ich zuerst, sie wollten mich als Torwarttrainer – ich wollte schon absagen. Aber dann hieß es, sie wollen mich wirklich als Spieler. Eine Stunde später rief mich Jürgen Klopp an, zwei Tage später war ich in Liverpool.

Wie war das Gefühl, an legendären Anfield Road zu spielen?

Schon mit Arsenal habe ich zu Beginn meiner Karriere gegen Liverpool gespielt. In meiner Zeit beim Klub stand ich selbst nicht mehr im Tor, war aber beim Aufwärmen dabei. Ich war in über 1.000 Stadien, aber Anfield ist Gänsehaut pur. Während der Spiele war ich auf der Tribüne, in einer Lounge. Dort spürt man den jahrzehntelangen Respekt gegenüber dem Fußball. Es war eine Freude, dort zu arbeiten. Und ich wusste ja: Ich werde nicht mehr jede Woche spielen. Aber ich war in guten Händen bei Jürgen Klopp. Ich habe bis heute Kontakt zu den Leuten. Solche Verbindungen bleiben.

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Haben Sie sich trotz Ihrer Rolle als Ersatztorhüter als vollwertiges Mitglied der Mannschaft gefühlt? Und wie haben Sie die gemeinsamen Erfolge und Titelfeiern erlebt?

Bei Arsenal habe ich im FA Cup und in der Liga viel gespielt, da fühlt man sich natürlich als Sieger. An diese Partien denke ich gerne zurück. In der Saison 2011/12 bei Juventus zum Beispiel habe ich vielleicht ein Spiel gemacht. Da sagt man: »Okay, ich war dabei. Ich habe gesehen, wie man gewinnt.« Aber es waren nicht die Momente, von denen ich geträumt habe. Die wirklichen Highlights hatte ich bei Arsenal, Siena oder Bologna – an diese Spiele erinnere ich mich heute noch gern. Trotzdem war ich bis zum Schluss von Topspielern und Toptrainern umgeben. Ich kann sagen: Ich habe bis zum Ende Top-Fußball gespielt – oder war zumindest dabei.

Fehlt Ihnen der Fußball und wie gestalten Sie Ihr Leben nach der aktiven Karriere?

Ja, natürlich fehlt mir der Fußball – vor allem die Dynamik, das Gewinnen und Verlieren, diese klare Zielorientierung. Aber inzwischen erfüllt mich etwas anderes: Mit meiner Frau habe ich eine Familie gegründet. Ich bin wieder näher am normalen Leben, stehe früh auf, packe an, baue Dinge – und genieße das.

Herr Manninger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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