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Hassliebe Mount Everest: Wie der Tiroler Lukas Furtenbach Luxusreisen zum Dach der Welt ermöglicht [Exklusiv]

Lesedauer: 15 Minuten

© Furtenbach Adventures

Vom Shrimpsfischer zum erfolgreichen Expeditionsanbieter: Luxusreisen in die Todeszone sind das tagtägliche Business des Tirolers Lukas Furtenbach. Ein Gespräch über die Magie des Mount Everest, traumatische Erlebnisse und Nachhaltigkeit auf 8.849 Metern.

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Jährlich besteigen hunderte waghalsige Menschen den höchsten Berg der Welt: den Mount Everest. Um sich diesen Traum zu verwirklichen, bezahlen Touristen sechsstellige Summen – und einige mit ihrem Leben.

Der Mount Everest polarisiert wie kein anderer Berg auf der Welt. Für den Tiroler Lukas Furtenbach ist er ein Big Business. Der zweifache Familienvater führt seit 20 Jahren Expeditionen durch und gilt mit seinem Unternehmen Furtenbach Adventures als erfolgreichster Veranstalter für Reisen in die Todeszone. Noch vor wenigen Wochen stand er selbst zum vierten Mal am Gipfel des 8.849 Meter hohen Berges.

In der 12. Folge des Zwischenstopp-Podcasts spricht der Unternehmer mit Alexander Friedl und Markus Sieger über seine Hassliebe zum Mount Everest, Gipfelglück mit Erfolgsgarantie, Kritik von Bergsteigerlegende Reinhold Messner, traumatisierende Momente, Preisdumping und vermeidbare Todesfälle.

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Herr Furtenbach, Sie haben als Shrimpsfischer in den USA, als Portier in Belize, als Autoschieber in Mexiko und als Fliegenfischerguide in der Wildnis Kanadas gearbeitet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit spektakulären Himalaya-Expeditionen von Tirol aus ein Business aufzubauen?

Schon früh habe ich versucht, aus dem konventionellen Leben auszubrechen. Ob das immer klug war, weiß ich nicht, aber es führte zu einem spannenden und abwechslungsreichen Leben. Trotz all dieser exotischen Abenteuer habe ich meine Liebe und Verbindung zu den Bergen nie verloren.

Deshalb begann ich auch sehr früh, neben meinen beruflichen Tätigkeiten Expeditionen in die großen Gebirge der Welt zu unternehmen. Aus der Not heraus verdiente ich damit Geld, um mir diese Expeditionen überhaupt leisten zu können. Später wurde es zu meiner Lebensgrundlage. Anfangs waren die Expeditionen noch recht unprofessionell und improvisiert. Die Idee, daraus ein solides Unternehmen auf die Beine zu stellen, entstand 2010, und vier Jahre später wurde es offiziell gegründet.

Sie haben mal gesagt: »Jeder Mensch, der den Everest besteigen möchte, sollte auch die Gelegenheit dazu haben.« Kann jeder halbwegs fitte Mensch es auf den Everest schaffen?

Jeder gesunde und halbwegs fitte Mensch kann so weit vorbereitet werden, dass er den Mount Everest sicher besteigen kann und gesund wieder herunterkommt. Der Weg kann aber lange und steinig sein.

Es war nie mein Traum, den Mount Everest zu besteigen.

Wie lange dauert die Vorbereitung für eine Mount-Everest-Expedition?

Das ist sehr individuell. Es gibt Kunden, die buchen einen Monat vor Expeditionsbeginn und da wissen wir, die sind bereit und erfahren genug dafür. Anders ist es bei Quereinsteigern, da kann es durchaus sein, dass wir mehrere Jahre an Vorbereitung investieren müssen.

Hat der Mount Everest für Sie immer noch eine gewisse »Magie«?

Ja, auf jeden Fall. Es war aber nie mein Traum, den Everest zu besteigen. Die Vorstellung, da selbst raufzugehen, war für mich eher abschreckend. 

Als ich das erste Mal aufgrund eines beruflichen Projekts auf dem Gipfel stand, wusste ich sofort, dass der Everest eine prägende Rolle in meinem Leben spielen würde. Seitdem kehre ich jedes Jahr zurück – und es hat sich eine Art Hassliebe entwickelt.

Inwiefern?

Nach der Everest-Saison bin immer heilfroh, wenn sie vorbei ist. Doch schon nach ein paar Wochen spüre ich wieder dieses Kribbeln und die Fragen tauchen auf: Wie können wir nächstes Jahr noch besser werden? Was können wir verändern? Was können wir im nächsten Jahr machen, das alle dazu bringt, auf uns zu zeigen und zu sagen: »Schau mal, die sind doch verrückt!«

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Sie haben mit Ihrem Unternehmen ein eigenes Akklimatisationsprogramm entwickelt und sich mit sogenannten Flash-Expeditionen einen Namen gemacht. Die Teilnehmer akklimatisieren sich dabei nicht neun Wochen lang am Berg, sondern zu Hause in einem Höhenzelt. Nach der Anreise ins Basislager erfolgt innerhalb von zwei Wochen der Aufstieg auf den Gipfel. Was hat es damit auf sich?

Beim Besteigen hoher Berge wie des Everest benötigt der Körper Zeit, um sich an den niedrigen Sauerstoffgehalt anzupassen – die sogenannte Akklimatisierungsphase. Diese dauert normalerweise acht bis neun Wochen, was für viele beruflich oder privat schwer zu vereinbaren ist. Traditionell erfolgt die Akklimatisierung am Berg selbst, doch dies ist zeitaufwendig.

Um dieses Problem zu lösen und ein breiteres Kundensegment anzusprechen, haben wir versucht, die Akklimatisierungsphase zu verkürzen. Anstatt die Anpassung in echter Höhe vorzunehmen, nutzen wir Höhenzelte, die sauerstoffarme Luft simulieren. Diese Methode, ursprünglich im Radsport entwickelt, ermöglicht es unseren Kunden, sich zu Hause zu akklimatisieren, während sie ihrem Alltag nachgehen. Dadurch können wir Everest-Expeditionen auf nur drei Wochen reduzieren und so auch Menschen ansprechen, die bisher nicht die nötige Zeit hatten.

Müssen Sie trotzdem Bewerber ablehnen?

Ja, wir lehnen nach wie vor Bewerber ab. Früher waren es über 50 Prozent, mittlerweile liegt die Quote bei 30 Prozent. Das betrifft vor allem Anfragen, bei denen entweder der nötige körperliche Zustand oder das erforderliche Erfahrungslevel fehlt – oder der Wille, daran etwas zu ändern.

Alle, die die Expedition begonnen haben, haben auch den Gipfel erreicht.

Wie alt war der jüngste und älteste Expeditionsteilnehmer?

Der Jüngste war ein 24-jähriger Tiroler. Er ist der jüngste Österreicher, der den Mount Everest bestiegen hat. Der Älteste war ein 68-jähriger Brite. Der Großteil, 80 Prozent unserer Kunden, sind zwischen 35 und 55 Jahre alt.

Und wie viele schaffen es tatsächlich auf den Gipfel?

Alle, die die Expedition begonnen haben, haben auch den Gipfel erreicht. Das bedeutet eine 100-prozentige Erfolgsquote über acht Jahre – ein in der gesamten Branche unerreichter Wert. Für viele unserer Kunden ist das ein entscheidender Grund, bei uns zu buchen.

Es gibt nur wenige Tage im Jahr, an denen eine Mount-Everest-Besteigung möglich ist. Wann sind diese?

Hauptbesteigungszeit ist im Mai, statistisch idealerweise von 15. bis 25. Mai – nach dem Winter und vor dem Monsun. Es ist ein kurzes klimatisches Fenster, wo die sogenannten Jetstreams, starke Winde in zehn Kilometer Höhe mit über 200 Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit, sich vom Berg wegbewegen und die grundsätzliche Besteigung des Everest ermöglichen. Das restliche Jahr ist eine Besteigung gar nicht möglich.

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Wie ist das Wetter dort oben?

Selbst bei perfekten Bedingungen bleibt es auf dem Gipfel des Everest extrem kalt – in der Regel zwischen minus 25 und minus 35 Grad, abhängig von der Wetterlage. Diese Temperaturen sind kalt genug, um Erfrierungen zu riskieren. Die Windgeschwindigkeit, die Bergsteiger auf dem Everest noch aushalten können, liegt bei etwa 50 Kilometern pro Stunde. Alles darüber hinaus erhöht das Risiko von Erfrierungen erheblich.

Wie viele Leute befinden sich in der Hauptsaison gleichzeitig auf dem Everest?

Der Berg hat zwei sehr unterschiedliche Seiten. Auf der Nordseite waren dieses Jahr insgesamt etwa 50 Personen, darunter zehn von uns. Die Situation auf der Südseite in Nepal ist hingegen deutlich anders. Dort vergibt die nepalesische Regierung jährlich schätzungsweise 500 Permits an ausländische Bergsteiger. Hinzu kommen etwa doppelt so viele Sherpas und lokale Unterstützungsmitarbeiter, sodass sich insgesamt rund 1.500 Menschen am Berg aufhalten. Man ist also garantiert nie allein. Grundsätzlich ist das kein Problem, es erfordert nur sorgfältige Planung und entsprechendes Management.

Die Sherpas sind das Rückgrat der kommerziellen Expeditionen.

Wie groß ist eine Expeditionsgruppe?

Unsere Gruppe auf der Südseite war sehr groß, mit etwa 40 Teilnehmern. Zusammen mit Bergführern, Sherpas und der Küchenmannschaft kommen wir auf bis zu 140 Personen. Für den Aufstieg teilen wir die Gruppe jedoch in kleinere Teams auf – vier Kunden mit einem Bergführer und Sherpas.

Wäre eine Besteigung ohne Sherpas möglich?

Die Sherpas sind das Rückgrat der kommerziellen Expeditionen. Ohne sie könnten wir diese in der heutigen Form nicht durchführen, und unsere Kunden würden nicht die gleiche Unterstützung am Berg erhalten. Ein starkes Team aufzubauen, gelingt vor allem durch die Wertschätzung der Menschen und ihrer Arbeit. Das beginnt bei grundlegenden Dingen, die selbstverständlich sein sollten, wie einer fairen Entlohnung, Versicherung und angemessener Ausrüstung.

Während Sherpas früher oft wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden, hat sich das glücklicherweise geändert. Ich sehe sie als gleichwertige, wenn nicht sogar wertvollere Arbeitskräfte, da ihr Job sowohl körperlich als auch mental extrem fordernd ist und gleichzeitig ein sehr hohes Risiko mit sich bringt.

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Was kostet eine Expedition und was ist Ihr meistgebuchtes Paket?

Die meistgebuchte Expeditionsvariante ist die sogenannte Flashexpedition, die kürzeste Version. Sie kostet im nächsten Jahr 103.000 Euro. Das mag nach viel Geld klingen, doch wenn man im Detail betrachtet, wohin dieses Geld fließt, wird klar, dass es sich nicht um einen Fabelpreis handelt. Diese Summe spiegelt die Kosten wider, die erforderlich sind, um die notwendige Sicherheit und eine hohe Erfolgsquote am Everest zu gewährleisten. Man darf nicht vergessen: das ist einer der gefährlichsten Orte der Welt.

Es ist äußerst schwierig und kostspielig, dort eine sichere Umgebung und die nötige Infrastruktur aufzubauen. Zusätzlich benötigt der Kunde Ausrüstung im Wert von etwa 10.000 Euro sowie weitere Mittel für die Vorbereitung. Wir möchten nicht, dass der Kunde unvorbereitet anreist, er sollte Techniktraining und mögliche Vorbereitungsexpeditionen absolvieren, was weitere rund 15.000 Euro kostet. Insgesamt landet man bei etwa 140.000 Euro, um mit sehr hohen Erfolgschancen den Everest zu besteigen.

Niemand möchte dort sein Leben riskieren, sondern sicher zurückkehren.

Sie gehen sehr transparent mit den Kosten um, was auf Ihrer Website deutlich wird. Die Pakete sind klar definiert und alle Preise ersichtlich. Eine bewusste Entscheidung?

Bei der Preiskommunikation gibt es verschiedene Ansätze. Viele Anbieter nutzen »Preis auf Anfrage«. Beim Everest ist Preisdumping ein Problem. Neue Anbieter senken oft die Preise, um Marktanteile zu gewinnen, was zu einer Abwärtsspirale führt, in der niemand mehr seinen Preis auf der Webseite angibt. Das halte ich für unseriös.

Für den gezahlten Preis erhalten Kunden vor allem Sicherheit und hohe Erfolgsaussichten. Niemand möchte dort sein Leben riskieren, sondern sicher zurückkehren und nur einmal hinfahren. Der intelligente Kunde versteht das, während der weniger umsichtige ein erhebliches Risiko eingeht, von seiner Expedition nicht zurückzukehren – was leider immer häufiger vorkommt.

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Ihr teuerstes Everest-Paket kostet 199.000 Euro. Darin enthalten sind im Basislager: ein privates, beheiztes 80 Quadratmeter großes Zelt mit eigenem Bad, Kulinarik auf Hauben-Niveau, Internet, großer Fernseher und gute Weine. Ist das nicht etwas übertrieben?

Dieses Angebot entstand aus einer wachsenden Nachfrage nach einem solchen Produkt. Am Ende bleibt es Camping, auch wenn es luxuriös klingt. Gutes Essen ist entscheidend für die Regeneration; je hochwertiger die Mahlzeiten, desto leichter kann der Körper Energie aufnehmen. Deshalb lassen wir argentinische Köchinnen im Basecamp auf Hauben-Niveau kochen. Internet, ein gutes Glas Wein oder Fernsehen gehören mittlerweile dazu. Selbst eine Sauna hatten wir, bis sie aus Umweltschutzgründen verboten wurde.

Mit all diesen Maßnahmen möchten wir den Aufenthalt angenehmer gestalten. Als Bergsteiger bereitet mir manches davon Bauchschmerzen, aber inzwischen schätze ich den Komfort. In meinen 20ern oder frühen 30ern hätte ich solche Annehmlichkeiten jedoch abgelehnt.

Problematisch wird es nur, wenn die Hälfte der 1.500 Leute an einem einzigen Tag den Gipfel besteigen will.

Während der Covid-Pandemie haben Sie das Unternehmen übernommen, das den Großteil des Sauerstoffs und des Equipments bereitstellt. Wie viel »Macht« beziehungsweise »Kontrolle« besitzen Sie damit in der Branche?

Der frühere Eigentümer bot mir im dritten Pandemiemonat an, die Firma zu übernehmen, die in dieser Branche ein Monopol hatte. Es war klar, dass der Besitz dieses Unternehmens viel Kontrolle bedeutete, die sowohl positiv als auch negativ genutzt werden könnte. In den falschen Händen hätte man damit Mitbewerber ausschalten können, indem man sie nicht mehr mit Sauerstoffsystemen versorgt. Das war jedoch nie meine Absicht.

Vier Jahre später kann ich sagen: das war die beste unternehmerische Entscheidung meines Lebens. Wir haben mittlerweile über 90 Prozent Marktanteil im Sauerstoffgeschäft bei allen Achttausendern und waren immer ein fairer Partner für unsere Mitbewerber. Seitdem wir diese Kontrolle übernommen haben, gibt es keine Probleme mehr.

Gemessen an der Todesrate – also dem Verhältnis von erfolgreichen Besteigungen zu Todesfällen – zählt der Mount Everest zu den gefährlichsten Bergen der Welt. Warum sterben dort jedes Jahr Bergsteiger, trotz der ganzen Infrastruktur und Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff sowie dem Einsatz von Sherpas?

Es gibt unzählige Gründe, warum man am Everest sterben kann. Ein Teil davon ist ein unvermeidbares Restrisiko, das beim Bergsteigen immer vorhanden ist und in großen Höhen größer ist als beispielsweise am Großglockner in Österreich – auch wenn man dort ebenfalls sterben kann. Daneben gibt es vermeidbare Todesfälle am Everest, die durch falsche Entscheidungen oder mangelhafte Logistik entstehen, oft weil versucht wird, Geld zu sparen, um den Gewinn zu maximieren.

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Die Sterblichkeitsrate liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Und dennoch: Die Zahl der Toten nimmt zu. Allein im vergangenen Jahr ließen 18 Menschen ihr Leben auf dem Mount Everest.

Das ist korrekt. Nach jeder Saison analysieren wir alle Todesfälle. Letztes Jahr gab es so viele Tote wie nie zuvor. Von den 18 Todesfällen wären 14 durch minimale Sicherheitsstandards absolut vermeidbar gewesen. Diese Menschen hatten am Gipfeltag keinen Sauerstoff mehr oder wurden von ihren Guides allein gelassen.

Die restlichen vier Todesfälle fallen unter das Restrisiko. Ein Serac, ein Gletschereisbrocken, stürzte durch gravitative Prozesse ein und begrub drei Bergsteiger unter sich. Der vierte starb an einem Herzinfarkt – auch das kann passieren.

Stimmt es, dass man am Everest an Leichen vorbeigeht?

Niemand möchte über Leichen steigen, da dies traumatisierend sein kann und einem bewusst macht, welche Konsequenzen Fehler am Berg haben können, aber es ist Realität.

Inzwischen ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass der Expeditionsveranstalter dafür verantwortlich ist, einen verstorbenen Teilnehmer abzutransportieren. Abgesehen davon, dass dies logistisch äußerst schwierig sein kann, kommt oft hinzu, dass die Angehörigen oder die verstorbenen Bergsteiger selbst wünschen, am Berg zurückgelassen zu werden. Als Zwischenlösung wird oft in Absprache mit den Angehörigen vereinbart, dass die Leichen aus der Route entfernt werden, damit sie nicht mehr sichtbar sind oder jemand über sie steigen muss. Sie werden dann außerhalb des Blickfelds hinter Gletscher- oder Felsspalten verborgen.

Reinhold Messner ist der Meinung, dass Bergsteigen nur dann echtes Bergsteigen ist, wenn man dabei sterben kann.

Reisen in die Todeszone sind ein großes Business geworden. Wie steht es aktuell um die Machtverhältnisse in der Branche und welche Anbieter aus welchen Ländern dominieren den Markt?

Es gibt etwa 50 Anbieter, davon rund 40 aus Nepal und zehn aus anderen Ländern. In den letzten Jahren hat sich der Markt stark konsolidiert. Viele langjährige Veranstalter aus Europa und den USA sind verschwunden oder haben ihre Everest-Expeditionen eingestellt. Traditionell hatten diese westlichen Anbieter etwa 90 Prozent Marktanteil, doch innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich das Verhältnis komplett umgekehrt.

Jedes Jahr gibt es massenhaft Kritik an der Kommerzialisierung des Berges. An gewissen Tagen ist die Gipfelregion so überlaufen, dass sich vor der Schlüsselstelle ein regelrechter Stau bildet. Was antworten Sie den Kritikern? Ist der Stau zur Gipfelpyramide wirklich eine Ausnahme?

Ja, das ist tatsächlich eine Ausnahme. Es gibt Bilder und Videos von Staus am Everest, die für Außenstehende erschreckend wirken, aber ich persönlich bin noch nie in einem gestanden. Es hängt sehr stark davon ab, wann man den Berg besteigt. Meistens lässt sich der Stau auf einen bestimmten Tag in der Saison zurückführen, den ich dann vermeide.

Wenn wir von insgesamt 1.500 Menschen pro Jahr sprechen, muss man das ins Verhältnis setzen: Auf dem Großglockner gehen so viele Menschen an einem Wochenende hoch, insgesamt etwa 30.000 pro Jahr. Diese Zahl ist für die Größe des Bergmassivs noch gut handhabbar. Problematisch wird es nur, wenn die Hälfte der 1.500 Leute an einem einzigen Tag den Gipfel besteigen will. Das kann gefährlich werden, aber es gibt Mittel und Wege, um das zu steuern.

 

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Einer der prominentesten Kritiker ist Bergsteigerlegende Reinhold Messner. Können Sie die Kritik nachvollziehen oder ist das für Sie »Mount-Everest-Bashing«?

Seine Ansichten zum Everest sind aus seiner Perspektive nachvollziehbar, doch sie als allgemeingültige Wahrheit anzuerkennen, halte ich für problematisch. Er ist der Meinung, dass Bergsteigen nur dann echtes Bergsteigen ist, wenn man dabei sterben kann, das gilt auch für den Everest. Sauerstoff und Sherpas lehnt er ab, da sie das Sterberisiko verringern.

Dieser Ansatz mag für ihn und andere, die niemanden gefährden, in Ordnung sein. Doch wir bieten geführte Touren an, bei denen unsere Kunden auf Sicherheit vertrauen. Messners Forderung zu folgen, wäre für uns unverantwortlich und fahrlässig. Sollte etwas passieren, würde ich mich rechtlich verantworten müssen.

Lassen Sie uns über Nachhaltigkeit am Mount Everest sprechen. Sie fliegen Ihre Kunden mit dem Helikopter ins Basislager. Ist das in Zeiten der Klimakrise vertretbar?

Als studierter Geograf mit Schwerpunkt globaler Wandel und regionaler Nachhaltigkeit ist mir dieses Thema wichtig. Während Nachhaltigkeit im Tourismus lange diskutiert wird, war sie im Expeditionstourismus kaum ein Thema. Wir waren Vorreiter bei der Einführung von Maßnahmen, wie der Umstellung von Dieselgeneratoren auf Photovoltaikanlagen in unseren Base Camps und der Implementierung von Abwasseraufbereitung.

Mit der Zeit haben wir auf das Bewusstsein unserer Kunden reagiert und die erste CO2-negative Everest-Expedition durchgeführt. Zwar können wir den Transport nach Nepal nicht emissionsfrei gestalten, aber wir bemühen uns, den CO2-Fußabdruck zu minimieren. Überraschenderweise ist der Helikopter umweltfreundlicher, da Yaks und andere wiederkäuende Tiere mehr Methan ausstoßen. 

Solange ich diese Begeisterung dafür spüre, werde ich die Strapazen auf mich nehmen.

In der diesjährigen Everest-Saison 2024 erreichten über 570 Menschen den Gipfel. Wie viele Besteigungen sind – ohne dabei sicherheitstechnische und umweltschädigende Einbußen zu haben – im Jahr möglich?

Ich bin fest davon überzeugt, dass uns der Höhepunkt erst bevorsteht. Mit einer gezielten Besucherlenkung lassen sich jährlich problemlos 10.000 Besteigungen des Everest managen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft – Expeditionsanbieter bis zur Pension?

Das möchte ich sicher nicht bis zur Rente machen. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass es noch einige Jahre ein wesentlicher Teil meines Lebens bleiben wird. Solange ich diese Begeisterung dafür spüre, werde ich die Strapazen auf mich nehmen. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass irgendwann der Moment kommt, an dem ich sage: »Jetzt ist genug, ich brauche etwas völlig anderes und muss ans Meer ziehen und dort bleiben.«

Herr Furtenbach, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Expeditionsanbieter Lukas Furtenbach im Hintergrundgespräch mit Chefredakteur Alexander Friedl und Moderator Markus Sieger.

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