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Ein Jahrzehnt Baustopp: FC Valencias Nou Mestalla vor Abriss? [Exklusiv]

Lesedauer: 6 Minuten

© Valencia CF

Das »Nou Mestalla« ist die neue Heimstätte des FC Valencia. Dort sollte längst Fußball gespielt werden, doch seit über einem Jahrzehnt ruhen die Baumaschinen. Für die Fertigstellung fehlt das Geld – ein Desaster und Sinnbild für die spanische Finanzkrise. Wird das Stadion jemals fertiggestellt?

© Alexander Friedl / Sport Business Magazin

»Der schlafende Riese«

Valencia. Drittgrößte Stadt Spaniens. 750.000 Einwohner. Am Mittelmeer. Mehr als 300 Sonnentage im Jahr. Die Stadt wird neben dem Tourismus häufig mit Fußball und damit mit dem FC Valencia in Verbindung gebracht. Der Traditionsverein ist mit dem »Estadio Mestalla« Aushängeschild einer ganzen fußballverrückten Region. Das Stadion wird es in dieser Form aber nicht mehr lange geben, obwohl man genau das schon vor über einem Jahrzehnt dachte.

Wenn man vom Süden der Stadt Richtung Norden fährt, taucht an der »Avenida de las Cortes Valencianas« im Stadtviertel »Benicalap« plötzlich ein riesiger, gräulicher, imposanter und heruntergekommener Rohbau auf. Auf den ersten Blick erinnert der eingezäunte Betonklotz an eine verfallene Bauruine. Es liegen alte Stahlträger, Bauzäune und Eisenstäbe rundum den Bau, mittlerweile alles verwachsen. Meterhoch sprießen Gräser und Unkraut auf dem Grundriss in die Höhe. Der Standort wirkt verlassen und verwahrlost.

Auf den zweiten Blick erkennt man die Form einer Arena. Leute, die nichts mit dem spanischen Fußball am Hut haben, würden denken, es ist eine alte, verfallene Sportstätte, die zum Abriss bereit steht. Falsch gedacht. Es ist das neue Stadion des FC Valencia. Oder vielmehr sollte es bereits das neue Stadion sein – und eigentlich sollte dort längst Fußball gespielt werden. Doch seit über elf Jahren ruhen die Baumaschinen. Für die Fertigstellung fehlt das Geld. Ein Desaster. In den spanischen Medien spricht man bereits vom »schlafenden Riesen«. Wird das Stadion jemals fertiggestellt?

Wir waren in Valencia vor Ort und haben uns auf Spurensuche begeben. Es ist die Geschichte eines Fußballstadions, die als Sinnbild für die spanische Finanzkrise steht.

© Alexander Friedl / Sport Business Magazin

Der Traum vom neuen Stadion: Wie alles begann

Zwei Jahre nach der erfolgreichen Saison der Vereinsgeschichte – spanischer Meister, UEFA-Pokalsieger und UEFA-Super-Cup-Sieger – beschließt der FC Valencia im Jahr 2006 stolz den Bau eines neuen Stadions. Es soll der Start einer neuen und noch erfolgreichere Ära sein. Im besagten Jahr werden beeindruckende Foto- und Videoanimationen präsentiert, die zeigen, wie der neue Fußballtempel des Traditionsvereins aussehen wird. Euphorie bricht aus.

Bereits im August 2007 beginnt der Klub die Bauarbeiten für das neue Stadion. Es wird den klingenden Namen »Nou Mestalla« tragen. Angelehnt an das altehrwürdige »Estadio Mestalla«, das circa 15 Autominuten vom neuen Standort entfernt liegt. Im August 2010 soll die Arena das 1923 erbaute und damit älteste Stadion der spanischen Liga ablösen. Doch es kommt alles anders, als erwartet.

Spanische Finanzkrise führt zu Baustopp

Anfang 2009 kommt es aufgrund der Weltfinanzkrise zu finanziellen Schwierigkeiten bei den »Fledermäusen«, wie der Klub aufgrund seines Vereinswappens genannt wird. Damit einhergehend ein Baustopp. Und es sollte kein kurzfristiger sein. Die Bauarbeiten erstmals auf Eis gelegt.

Im Dezember 2011 ein erster Lichtblick. Der FC Valencia verkündet eine Übereinkunft mit dem spanischen Kreditinstitut »Bankia«, die es dem Verein erlaubt, die Arbeiten wieder aufzunehmen. Neuer Termin für die Fertigstellung: Das Jahr 2013.

Es folgt die spanische Finanzkrise, in der auch »Bankia« unter Bedrängnis gerät. Sowohl dem FC Valencia, als auch dem Kreditinstitut fehlen das Geld für einen Weiterbau. Als Folge wird dem Verein im September 2012 der Kredit in dreistelliger Millionenhöhe entzogen und die Fortsetzung des Stadionbaus rückt in weite Ferne.

Fassungsvermögen und Kosten müssen minimiert werden

Ein Jahr später, im August 2014 werden neue Kredit-Konditionen bekannt, die es ermöglichen sollen, das Stadion fertigzubauen. Die Vereinsverantwortlichen der »Fledermäuse« sind bereit, die Kapazität auf 61.500 Plätze zu senken, um die Kosten zu minimieren. Darüber hinaus sollen die Gewerbeflächen, die Außenfassade sowie die Überdachung reduziert werden. Mit diesen Maßnahmen können die Kosten von circa 344 Millionen auf 200 Millionen Euro gesenkt werden.

Einen Termin für die Fertigstellung gibt es allerdings zu diesem Zeitpunkt vorerst nicht. Es wird spekuliert, dass man das neue »Wohnzimmer« zum 100-jährigen Jubiläum 2019 eröffnen will. Eine schöne Vorstellung für »Los Ches«. Es sollte ein Wunsch bleiben.

© Alexander Friedl / Sport Business Magazin

Baustelle ohne Planung: Das Fiasko geht weiter

Wie spanische Medien im November 2016 berichten, hat er Vorsitzende des Vereins Layhoon Chan bekannt gegeben, dass der Bau bis 2019 nicht abgeschlossen werden kann. Bis die Bauarbeiten am Nou Mestalla wieder aufgenommen werden können, seien noch zu viele Schritte nötig. Die Finanzierung des Baus ist weiterhin nicht komplett geklärt. Nachdem mehrere Konzepte für das neue Stadion wieder verworfen wurden, steht die Baustelle aktuell ohne feste Planung da. Ein neues Design soll laut Chan in den kommenden neun Monaten erstellt werden. Ein weiterer Rückschlag für alle Valencianos.

Lichtblick: Neuer Eröffnungstermin und Unterstützung von Deloitte

Am 3. Oktober 2017 gibt der FC Valencia nach langem Warten in einer Pressekonferenz bekannt, dass der Stadionbau bis zum Mai 2021 abgeschlossen werden soll. Zudem wird eine Videoanimation präsentiert, in der gezeigt wird, wie das Nou Mestalla nach Fertigstellung aussehen wird.

Darüber hinaus werden Pläne vorgelegt, wonach das Stadtviertel »Benicalap« rund um das Nou Mestalla in Valencia modernisiert werden soll. Der FC Valencia stellt dabei knapp 500.000 Euro für die Aufwertung des zukünftigen Stadionumfelds zur Verfügung. Mit den Geldern sollen öffentliche Plätze erneuert und der soziale Wohnungsbau gefördert werden.

Im Mai 2018 vereinbart der Verein eine Partnerschaft mit »Deloitte«, um die Arbeiten am neuen Stadion zu intensivieren. Das Finanz- und Dienstleistungsunternehmen wird als wichtiger Partner für die überarbeiteten Pläne des Nou Mestalla gewonnen. Eine der vier Hauptaufgaben besteht darin, den Verkauf des derzeitigen Standorts des Stadions voranzutreiben.

Super-GAU: Droht kurz vor Fertigstellung der Abriss?

Mitte April 2019 kommt erneut Bewegung in das Projekt. Generaldirektor Mateu Alemany erklärt in einer Pressekonferenz, dass man das Gelände, auf dem das Estadio Mestalla steht, verkaufen will und man bereits einen fixen Abnehmer dafür habe.

Mit dem Erlös soll der Bau des Nou Mestalla fortgesetzt werden und laut aktuellem Zeitplan zum Saisonstart 2022/23 fertigstellt werden. Alemany betont: »Wenn wir realistisch bleiben, wird das Stadion für die Saison 2022/23 fertiggestellt. Die Kosten dafür sind vorerst schwer einzuschätzen.«

Das Datum ist noch nicht in Stein gemeißelt, doch es besteht wenig bis kaum Spielraum, denn es droht der Super-GAU: Falls die Bauruine bis 2022 in dieser Form bestehen bleibt und keine weiteren Arbeiten durchgeführt werden, müsste das Stadion aus Sicherheitsgründen abgerissen werden. Die Rohbetonkonstruktionen haben sich laut Baugutachtern in den letzten Jahren derart verschlechtert, dass der finale Abriss der einzige logische Weg wäre. Es wäre der absolute Höhepunkt einer jahrelangen Baumisere und eine echte Katastrophe für den Verein sowie die fußballbegeistere Stadt und Region Valencia.

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