Robert Ibertsberger: »Der Kosovo ist heute in der gleichen Liga wie Österreich« [Exklusiv]

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Nach seinem frühen Karriereende arbeitete Robert Ibertsberger unter anderem im Nachwuchs des FC Red Bull Salzburg und bei der Wiener Austria. Heute steht der ehemalige ÖFB-Teamspieler gemeinsam mit Franco Foda an der Seitenlinie der kosovarischen Nationalmannschaft – und möchte dort mit der ersten WM-Qualifikation des Landes Sportgeschichte schreiben.

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Robert Ibertsberger sorgte einst als Spieler für Furore: Acht Einsätze im ÖFB-Nationalteam, 200 Pflichtspiele und zwei Meistertitel in der Bundesliga. Eine schwere Knieverletzung beendete seine Karriere jedoch bereits mit 27 Jahren. Heute gibt der ehemalige Rechtsverteidiger als Co-Trainer von Franco Foda sein Know-how an die Nationalmannschaft des Kosovo weiter – mit Erfolg.

Der Balkanstaat stieg zuletzt in der UEFA Nations League in die B-Gruppe auf, obwohl die »Blau-Weißen« erst seit Mai 2016 UEFA- und FIFA-Mitglied sind und somit erst seit neun Jahren an offiziellen Wettbewerben und Qualifikationen teilnehmen. Mit dieser Dynamik im Rücken verfolgen Ibertsberger und Foda ein großes Ziel: die erstmalige Teilnahme des Kosovo an der Weltmeisterschaft 2026 in Kanada, Mexiko und den USA.

Im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Universitätslehrgangs Sportjournalismus spricht Ibertsberger exklusiv über die Zusammenarbeit mit Franco Foda, die Causa Donis Avdijaj, veraltete Strukturen und seine persönlichen Ziele als Trainer.

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Herr Ibertsberger, wie kam es zu Ihrem Kosovo-Engagement, und haben Sie sich bereits eingelebt?

Als die Anfrage auf dem Tisch war, dachte ich mir: »Kosovo?« Aber für mich war klar, dass es ein sehr spannendes Projekt ist. Franco Foda ist auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich das mit ihm gemeinsam machen will. Für mich ist jede Auslandsstation echt cool – egal ob als Chef- oder Co-Trainer. Auch für Franco ist es eine Herausforderung, die ihn kitzelt. Wenn Sie sehen, bei welchen Vereinen unsere Spieler unter Vertrag stehen und welches Niveau sie mitbringen, dann ist es etwas Besonderes, mit ihnen arbeiten zu dürfen.

Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Franco Foda und Ihnen ab – auch vor dem Hintergrund, dass Sie sich aus Spielerzeiten kennen?

Ich habe mitverfolgt, wie er das ÖFB-Team geleitet hat und mit Sturm Graz Meister geworden ist. Da habe ich mitbekommen, wie er mit seinen Mannschaften arbeitet. Er ist extrem zielstrebig und verlangt viel – das ist für mich aber kein Problem, weil ich selbst gerne arbeite und Gas gebe.

Franco hat sich auf der menschlichen und sozialen Ebene noch einmal weiterentwickelt. Er spricht sehr viel mit den Spielern, und das ist im Kosovo extrem wichtig. Wir wissen, dass wir mit ihnen sehr wertschätzend umgehen müssen, denn es sind andere Charaktere. Gleichzeitig müssen sie spüren, dass wir nicht nur Spaß haben wollen, sondern auch Erfolg. Dafür braucht es Disziplin.

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Wie gelang es Ihnen, Disziplin in die Mannschaft zu bringen?

Das war eine echte Challenge. Der Kosovo spricht viel darüber, erfolgreich sein zu wollen – und Franco schafft es sehr gut, diesen Anspruch in die Mannschaft zu tragen. Man merkt, dass er einen guten Zugang zu den Spielern gefunden hat. Das Gleiche gilt aber auch für uns im Trainerteam. Er bindet uns voll ein und vertraut uns Aufgaben an, die wir mit der Mannschaft umsetzen. Das ist auf diesem Niveau eine sehr wertvolle Erfahrung.

In der Österreichischen Fußball-Bundesliga spielt mit Donis Avdijaj ein Stürmer, der für Torgefahr sorgt. Warum ist er nicht Teil der Nationalmannschaft?

Das ist eine andere Geschichte. Er ist gut und wäre grundsätzlich ein Thema, hat aber leider Gottes zu viel Asche hinterlassen. Er hat bereits sechs Spiele für das Nationalteam bestritten – allerdings in einer Phase, in der er nicht klar im Kopf war und keine Disziplin hatte. Er hat sich damit selbst die Tür zugemacht. Wir würden ihn gerne nominieren, aber es gibt einen Stopp vom Verband.

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Wie sieht es mit Alternativen aus?

Wir haben grundsätzlich richtig gute Spieler, die in Top-Ligen und -Vereinen spielen. Es tauchen nach wie vor neue Spieler auf – etwa Schweizer, Deutsche oder Norweger mit Kosovo-Hintergrund. Das eröffnet uns zusätzliche Möglichkeiten, sie für das Nationalteam zu gewinnen. Der Kampf um diese Spieler macht die Sache noch spannender, weil sie für uns weiterhin infrage kommen könnten.

Mit Ihrem Trainerteam leiteten Sie eine erfolgreiche Zeit im Kosovo ein: Aufstieg in der Nations League und nun geht es um eine erstmalige WM-Teilnahme des Kosovo. Wie erklären Sie diesen Erfolg?

Unsere Spieler sind richtig gut, und das zeigen auch die Ergebnisse. Island haben wir mit einem Gesamtscore von 5:2 besiegt und sind in die B-Liga aufgestiegen. Dabei darf der Verband erst seit 2016 an den Qualifikationen zur Nations League sowie zu Europa- und Weltmeisterschaften teilnehmen – und jetzt ist er in der gleichen Liga wie Österreich. Das ist ein Riesenerfolg für den Kosovo, auch wenn wir Trainer noch mehr Potenzial sehen. In der WM-Qualifikation wollen wir so spielen, dass wir als Zweiter in das Qualifikationsturnier einziehen können.

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Wie unterscheiden sich die Strukturen im kosovarischen Verband vom ÖFB?

Die Struktur ist schnell erklärt: Es gibt einen Präsidenten, der alles vorgibt. Beim ÖFB ist das anders, weil dort Gremien entscheiden. Das ist eine veraltete Version, die es eigentlich nicht mehr geben sollte, aber wir mussten lernen, dass es im Kosovo eben ein bisschen anders läuft. Es funktioniert, auch wenn es nicht immer leicht ist. Wir hatten jetzt über ein Jahr lang viel Erfolg. Spannend wird sein zu sehen, wie die Reaktionen ausfallen, wenn es einmal nicht funktioniert. Und dieser Moment wird irgendwann kommen.

Wie ist die Stimmung vor Ort?

Die Menschen im Kosovo sind extrem bemüht, auch wenn noch viel passieren muss, bis man sagen kann, dass der Kosovo ein europäisches Land ist. Wir wollen im sportlichen Bereich unseren Beitrag leisten, damit die Leute einen Anker haben. Es wird richtig viel Geld in den Fußball investiert, auch wenn dort vieles länger dauert als bei uns, weil es anders einfach nicht möglich ist. Da braucht man Geduld.

Was sind Ihre persönlichen Ziele – abgesehen von der WM-Qualifikation?

Kurzfristig soll es die WM-Qualifikation werden, aber man weiß nie, was im Trainergeschäft passiert. Natürlich würde es mich reizen, eine Mannschaft als Cheftrainer zu übernehmen. Ich kann mir aber genauso eine weitere Zusammenarbeit mit Franco vorstellen. Wenn man erfolgreich ist, kann es schnell passieren, dass man für andere Vereine oder Nationen interessant wird. Wir wollen es im Kosovo jedoch langfristig probieren, weil wir sehen, dass es noch sehr viele Spieler im Hintergrund gibt, die uns als Mannschaft noch einmal besser machen können.

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Welche Perspektive sehen Sie für sich selbst als Trainer – sowohl im Hinblick auf Ihre aktuelle Aufgabe als auch auf mögliche zukünftige Angebote?

Als Trainer hat man ein gewisses Management im Hintergrund, das nach Möglichkeiten Ausschau hält. Es kommen immer wieder Anfragen rein, bei denen man sich denkt: »Wäre interessant« oder »Wäre nicht interessant«. Das passiert täglich in diesem Geschäft. Im Moment kann ich es mir aber nicht vorstellen zu gehen, weil ich klar sage, dass ich bis zu unserem Vertragsende 2027 mit Franco arbeiten will.

Was müsste passieren, damit Sie den Kosovo verlassen?

Es geht nicht um den Verein oder die Nation selbst, sondern um alles, was dahintersteht. Für mich ist entscheidend: »Wohin will der Klub oder Verband? Was gibt er vor? Gibt es eine klare Philosophie und kann ich mich damit identifizieren? Steht der Sportdirektor zu 100 Prozent dahinter?« Das waren die Punkte, an denen es in Österreich immer wieder gehakt hat. Oft war der Sportdirektor zuerst da – und am Ende hat er dir dann das »Hakerl ins Kreuz« gehaut. Und das kann es nicht sein. Im Kosovo passen diese Voraussetzungen derzeit, und deshalb sehe ich mich hier auch weiterhin gut aufgehoben.

Herr Ibertsberger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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