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So wird der Marktwert eines Fußballers berechnet [Exklusiv]

Lesedauer: 9 Minuten

© FRANCK FIFE / AFP / picturedesk.com

In den letzten zwei Jahrzehnten explodierten die Ablösesummen im Weltfußball und stiegen bis in den dreistelligen Millionenbereich. Wie viel kann ein Spieler wert sein, was macht den Marktwert aus und wie wird er berechnet?

© PSG

222 Millionen Euro. Bei Kennern der Fußballszene läutet es bei diesem Betrag sofort. Es ist jene Summe, um die der Brasilianer Neymar im Sommer 2017 vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain wechselte. Der Transfermarkt wurde von Leuten aus dem Fußballgeschäft, aber vor allem von externen Personen wie Fans und Medien schon zuvor als »aus den Fugen geraten« bewertet. 222 Millionen Euro für einen einzelnen Spieler sprengten aber alles bisher Dagewesene und warfen erneut die Frage auf, wie viel ein Spieler wirklich wert sein kann.

Christoph Freund: »Der Marktwert der Spieler stellt sich aus verschiedenen – oft auch subjektiven Parametern – zusammen«

© Andreas Schaad

Wie kommen Vereine auf derartige Ablösesummen?

Wie wird der Marktwert eines Spielers berechnet? »Der Marktwert setzt sich aus der Vertragslaufzeit, dem Alter und den Leistungen des Spielers in der Liga und international, aber auch der Erwartungshaltung bei einem späteren Weiterverkauf zusammen«, erklärt Österreichs bekanntester Spielerberater Max Hagmayr im Gespräch mit dem Sport Business Magazin. Selbstverständlich spielt auch die Nachfrage des jeweiligen Vereins eine Rolle. »Wie hoch sind der Druck beziehungsweise die Notwendigkeit eines Transfers, inwieweit bin ich in den Spieler ›verliebt‹«, so Peter Görlich, der seines Zeichens fünf Jahre lang Geschäftsführer bei einem deutschen Bundesligisten war.

Sportdirektor Christoph Freund erklärt uns auf Anfrage die Herangehensweise beim FC Red Bull Salzburg: »Da wir uns vorrangig auf junge Spieler konzentrieren, sind das eingeschätzte Potenzial und die Entwicklungsfähigkeit wesentliche Aspekte. Wir schauen insgesamt aber auch auf andere Fähigkeiten und versuchen, uns ein gutes und aussagekräftiges Gesamtbild des Spielers zu verschaffen.« Im Hinblick auf die Philosophie des Serienmeisters spiele auch der Weiterverkauf eine elementare Rolle: »Grundsätzlich ist es bei Transfers immer unser Ansatz, den Glauben und die Überzeugung zu haben, dass wir den Marktwert des Spielers bei uns in Salzburg noch steigern können.«

Sportliche Krisen oder Verletzungspech können einen Verein zur Verpflichtung eines neuen Spielers zwingen und dazu führen, dass »über dem Marktwert« bezahlt wird. Auf der anderen Seite können Profis, die in einer Mannschaft für Probleme sorgen, auch unter dem Marktwert abgegeben werden.

Peter Görlich: »Transfermarkt.de ist ein gutes Medium, um sich hinsichtlich der Marktwerte zu orientieren«

© Peter Görlich

Transfermarkt.de als Anhaltspunkt

Als erste Anlaufstelle für Marktwerte im Fußball hat sich für Interessierte seit über zehn Jahren das Internetportal Transfermarkt.de etabliert. Auf der Website sind Marktwerte von rund 100.000 Spielern aus etwa 200 Ligen weltweit gelistet. Die Werte, die Alter, Verein, Leistungsdaten und vieles weitere berücksichtigen, werden dabei nicht mithilfe eines Algorithmus bestimmt, sondern durch tausende User und deren Expertise – ein qualitativer Ansatz.

Transfermarkt.de-Geschäftsführer Thomas Lintz betont im Gespräch mit dem Sport Business Magazin die Zweistufigkeit des Systems: »Zu Beginn diskutieren unsere User in moderierten Foren so lange, bis es eine Einigung oder einen Kompromiss gibt. Jeder kann sich bei uns registrieren und am Austausch teilnehmen. Es ist ein ständiges Vergleichen und Abwägen von unterschiedlichen Faktoren. Auf einer nächsten Ebene gibt es Vergleichsrunden der Moderatoren. Das sind Mitarbeiter von uns, aber auch ehrenamtliche Personen. Hier werden Ligen verglichen und geschaut, ob die Relationen – beispielsweise zwischen der Premier League und der deutschen Bundesliga – passen.« Je nach Liga werden die Marktwerte der Spieler zwei- bis viermal im Jahr angepasst. Während in den großen Foren, wie jenem der deutschen Bundesliga, tausende User über die Marktwerte der einzelnen Profis diskutieren, sind es in kleinen Ligen auch nur mal ein Dutzend User.

In vielen Ländern außerhalb Europas, die weniger Aufmerksamkeit genießen, kommt die Community an ihre Grenzen. »Wir versuchen in allen Profiligen die Marktwerte darzustellen, aber es gibt Bereiche, da ist es kompliziert. In Ländern wie Nigeria beispielsweise ist es schwierig an Informationen und Spielberichte zu kommen. Aus diesem Grund haben wir hier nur für aktuelle Nationalspieler einen Marktwert«, erklärt uns Lintz. Bei den Marktwertanalysen in den Foren sei mehr die Qualität der User entscheidend, weniger die Quantität. Die Plattform verfüge über viele erfahrene User, die ihre Argumente sehr gut mit Fakten untermauern und in der Folge von der Community sowie den Moderatoren oft schneller Zustimmung erlangen als neue, noch unerfahrene User.

© STIAN LYSBERG SOLUM / AFP / picturedesk.com

Bedeutung und Verantwortung

Transfermarkt.de hat sich mittlerweile auch international einen Namen gemacht. Im August 2021 – einem laut Geschäftsführer Thomas Lintz sehr gut gelaufenen Monat – gab es auf der Website 48 Millionen Unique User, 148 Millionen Besuche und 777 Millionen Seitenaufrufe – darunter viele Fans, aber auch Branchenexperten. Spielerberater Hagmayr schätzt die umfassende Datenbank, die Informationen zu Spieler und Transfers liefert, hält die Marktwerte aber häufig für schwer nachvollziehbar. Sie entsprächen nicht den realen Bedingungen, da »viele Informationen, die wir als Agentur besitzen, die User nicht haben«.

Die enorme Bedeutung der Website innerhalb Branche kann auch Görlich bestätigen: »Transfermarkt.de ist ein gutes Medium, um sich hinsichtlich der Marktwerte zu orientieren. Der Vorteil ist, dass du dich bei Gesprächen auf eine gemeinsame Plattform beziehen kannst. Es handelt sich jedoch um Orientierungswerte. Was am Ende gezahlt wird, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab.« Ähnlicher Meinung ist auch Bullen-Sportdirektor Freund: »Auf Transfers oder Transfersummen hat das Portal keinen direkten Einfluss, ist aber dennoch eine sehr interessante und informative Plattform, die eine gewisse Orientierungshilfe bildet.«

Aufgrund des Standings ergibt sich nicht nur eine Marktmacht, sondern auch eine große Verantwortung. Dieser ist sich das Internetportal rund um Geschäftsführer Lintz bewusst: »Menschen, die sich gut auskennen und kritisch sind, sind das größte Qualitätsmanagement. Unseren Moderatoren und der Community fallen sofort auf, wenn beispielsweise Fans eines Vereins versuchen, einen bestimmten Spieler zu pushen. Auch nach Transfers in eine neue Liga wird gecheckt, ob der bisherige Wert noch passt. Wir haben zudem auch eigene Data Scientists, die diese Entwicklungen kontrollieren.«

© VCM/Shiyin Gu

Cristiano Ronaldo fühlt sich ungerecht behandelt

Anfragen von Spielern, Vereinen und Beratern an Transfermarkt.de sind längst keine Seltenheit mehr. »Wir tauschen uns gerne mit jedem aus. Bei einem Großteil der Anfragen geht es lediglich darum, wie wir auf den Marktwert gekommen sind. In den meisten Fällen ist der Austausch sehr konstruktiv«, erklärt Lintz. Eine besondere Geschichte kam im Jahr 2020 an die Öffentlichkeit. Kein geringerer als Cristiano Ronaldo meldete sich via Instagram bei Transfermarkt.de und kritisierte seinen bezifferten Marktwert von damals 75 Millionen Euro. Das Onlineportal antwortete prompt, dass der fünffache Weltfußballer in seiner Altersklasse nach wie vor der wertvollste Spieler sei, was den Portugiesen aber nicht zufriedenstellte. Kurze Zeit später blockierte CR7 den Instagram-Account von Transfermarkt.de.

Der Superstar ist auch ein gutes Stichwort für einen Parameter, der vor allem bei Spielern seiner Größenordnung immer mehr an Relevanz gewinnt: der Werbewert. Nach seinem Wechsel von Real Madrid zu Juventus Turin im Sommer 2018 um 117 Millionen Euro verkaufte die »Alte Dame« innerhalb von 24 Stunden 520.000 Ronaldo-Trikots. »Allein in den ersten vier Wochen nach Bekanntgabe des Ronaldo-Transfers gewann Juventus 350.000 neue Follower auf Twitter 500.000 neue Follower auf YouTube, 1,7 Millionen neue Follower auf Facebook und unglaubliche 3,5 Millionen neue Follower auf Instagram«, erklärt Social-Media-Experte Mario Leo in seinem Buch »Kaufen Sie Ronaldo«. Aus diesem Grund werden die Aspekte Strahlkraft und Werbewert auch bei Transfermarkt. de vermehrt im Marktwert berücksichtigt.

Keine Rollen nehmen hingegen die Spielerberater ein, auch wenn diese bis zu zweistellige Millionenbeträge bei Transfers mitverdienen. Ebenso wird die Vertragslaufzeit nicht im Marktwert berücksichtigt. »Wir versuchen, die Vertragslaufzeit aus der Marktwertanalyse rauszuhalten, wir machen ja keine Ablösevorhersagen. Sonst würde ein Spieler mit auslaufendem Vertrag automatisch den Wert Null besitzen«, argumentiert Lintz. Außerdem sei ein Spielertransfer »in den wenigsten Fällen ein offener Markt«. Fußballfunktionär Görlich merkt an, dass es oft nur zwei oder drei Profis gäbe, die in das Anforderungsprofil eines Klubs passen. Zudem käme Druck von außen – Stichwort Fans und Medien. »Es kommen auch Faktoren ins Spiel, die höchst individuell sind – vielleicht auch Vorlieben wie beim Besitzer von Paris Saint-Germain, der Neymar unbedingt wollte. In diesen Fällen wird kein ›normaler‹ Preis mehr gezahlt«, erklärt Lintz.

© GEPA pictures / Red Bull Content Pool

Der Blick in die Zukunft

Eine zentrale Rolle spielt der mögliche Wiederverkaufswert eines Spielers für den aufnehmenden Verein. »Das ist ein strategischer Ansatz, der schon bei der Kaderplanung gemacht werden sollte«, unterstreicht Görlich. Spielerberater Hagmayr kennt diese Überlegungen der Klubs sehr gut. Aus diesem Grund sei es oft schwierig, Ü30-Profis mit Ablöse an Vereine zu vermitteln. Auch Transfermarkt.de-Geschäftsführer Lintz betont, dass aufgrund des geringen Wiederverkaufswertes eines Spielers der Marktwert zurückgehe, sobald dieser 30 Jahre alt sei.

Dazu passt auch, dass in den vergangenen Jahren vor allem die Marktwerte und Ablösesummen von jüngeren Spielern in die Höhe geschossen sind. Die derzeit auf Transfermarkt.de wertvollsten Spieler nach Marktwert – Kylian Mbappé, Erling Haaland und Vinicius Junior – sind alle maximal 23 Jahre alt. Von den fünf teuersten Transfers aller Zeiten waren Mbappé und João Félix 19, Ousmane Dembélé 20 sowie Neymar und Philippe Coutinho bei ihren Wechseln 25 Jahre alt. Diese Entwicklung wird auf Transfermarkt.de längst verfolgt: »Über das letzte Jahrzehnt sind die Themen Alter und Talent viel wichtiger geworden. Das sieht man auch an den bezahlten Ablösesummen und am Beispiel Haaland, der gerade extrem gefragt ist«, erklärt uns Lintz. »Die Vereine suchen sehr viele junge Profis. Man sieht am Beispiel Red Bull Salzburg, welch hohe Transfergewinne mit jungen Spielern zu erzielen sind«, analysiert Hagmayr.

Aufgrund der Covid-19-Krise sanken die Ablösesummen gegenüber der Zeit vor der Pandemie. »Die Corona-Krise hat den Transfermarkt gehörig durcheinandergewirbelt. Es steht weniger Geld zur Verfügung«, bilanziert Hagmayr. Die Tendenz gehe zu Leihspielern und Leihgeschäften mit anschließender Kaufoption. Bei Käufen werde vermehrt auf Ratenzahlungen gesetzt. Diese Entwicklung ist wohl allerdings nicht von Dauer, denn Hagmayr weiß: »Wenn Geld im Markt vorhanden ist, dann wird es ausgegeben.« 

© FC Red Bull Salzburg via Getty Images

Transfermarkt.de als Scoutingtool

Der Verbindung von Community und Journalismus macht Transfermarkt.de weltweit einzigartig. Auch in Spanien oder England gibt es keine vergleichbaren Plattformen. »Natürlich gibt es professionelle Scoutingsysteme, die viele Daten sammeln. Was Transferinformationen betrifft, gibt es aber nichts Vergleichbares«, so Lintz selbstbewusst. Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass gerade im Scouting sein Onlineportal vermehrt Anwendung findet: »Wenn man sich über einen unbekannten Spieler schlau machen will, gibt der Marktwert eine gute Orientierung. Etwa wenn Vereine in der Europa-League-Qualifikation gegen einen weniger prominenten Gegner spielen, und ein Akteur mit hohem Marktwert heraussticht, schaut man sich den sicherlich genauer an.«

Soccerdonna als weibliches Pendant

Der größer werdenden Bedeutung des Frauenfußballs wird auch von Transfermarkt.de Rechnung getragen. Daher wurde die Plattform Soccerdonna.de ins Leben gerufen. Mittlerweile sind auf Soccerdonna über 66.000 Spielerinnen gelistet. 2021 wurde auch hier mit der Ausweisung von Marktwerten gestartet. »Der Markt entwickelt sich weiter, deshalb haben wir die Marktwerte eingeführt. Davor waren die Ablösesummen und das Geldvolumen im Markt nicht groß genug. Das ist derselbe Grund, wieso wir bei den Männern in Deutschland auch nicht bis in die 5. Liga runtergehen. Die Festlegung von Marktwerten macht nur dort Sinn, wo auch entsprechend viel Geld fließt«, begründet Lintz den Schritt. Die Bedeutung von Soccerdonna für den Frauenfußball sei mittlerweile ähnlich groß wie jene von Transfermarkt.de im Männerfußball. Die Plattform diene auch hier als guter Anhaltspunkt bei Transfers.

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