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Billard-Ass Jasmin Ouschan: »Poolbillard ist ein schöner, aber einsamer Sport«

Lesedauer: 7 Minuten

© Wolfgang Janach

Die Klagenfurter Poolbillard-Ausnahmesportlerin Jasmin Ouschan, 36, ist 10-Ball-Weltmeisterin, 27-fache Rekord-Europameisterin sowie 18-fache österreichische Meisterin. Dabei wurde ihr der Queue buchstäblich in die Wiege gelegt. Selbst nach drei Jahrzehnten Wettkampfsport ist ihr Hunger nach Titel noch lange nicht gestillt.

© Wolfgang Janach

Schon als Baby sitzt sie am grünen Filztisch im Billardclub ihres Papas in Klagenfurt, mit drei Jahren studiert sie fasziniert das Verhalten der bunten Kugeln am Miniatur-Poolbillardtisch und mit gut sechs Jahren brilliert sie bei ihren ersten Schnupperturnieren: Jasmin Ouschan ist DAS österreichische Aushängeschild im professionellen Billardsport. Im exklusiven Interview mit dem Sport Business Magazin erzählt die ehrgeizige Kärntnerin über ihren Werdegang, die Finanzierbarkeit im Profibillard und die Begeisterung für ihren Präzisionssport.

© Wolfgang Janach

Frau Ouschan, Ihr Vater Albin, der 2018 verstorben ist, war als siebenfacher Österreichischer Meister höchst erfolgreich im Poolbillard, ebenso wie Ihr Bruder Albin Junior, der sich 2016 den 9-Ball-Weltmeistertitel holte. Wann wurden Sie an Queues und Kugel herangeführt?

Mein Papa war mein größter Motivator und hat mich schon als Kleinkind zu seinen Turnieren mitgenommen. Beim Training hat er mir damals kurzerhand eine Kiste vor den Billardtisch gestellt, damit ich alles genau beobachten kann und bald durfte ich auf meinem Kinderbillardtisch selbst die Kugel anstoßen. Das hat mich fasziniert und diese Begeisterung ist bis heute geblieben.

Wie wird man professionelle Poolbillardspielerin?

Mein Talent wurde bereits sehr früh erkannt. Sicher auch aufgrund der familiären Affinität zum Sport. Aber ich kann mich gut erinnern, dass ich schon im Alter von acht oder neun Jahren die Kinderturniere der Clubs in der Gegend gespielt und gewonnen habe. Weiter ging es auf regionaler Ebene mit den Landesmeisterschaften bis hinauf zu den Jugend-Staatsmeisterschaften, bei denen ich 1996 mit nur zehn Jahren als einziges Mädchen unter den Jungs – eine eigene Mädchenklasse gab es damals noch nicht – den dritten Platz erreichte.

»Da gibt es ein junges Mädchen aus Kärnten. Die schaut immer so böse, ist aber sehr talentiert.«

Und bald schon wollten Sie sich mit Erwachsenen messen?

Ja genau! (lacht) Mit etwa elf Jahren durfte ich erstmals beim Damen-Grand-Prix mitspielen – und habe auch da die Konkurrenz auf die Plätze verwiesen. Das Siegerfoto als kleines Mädchen mit dem riesigen Pokal und den großen Frauen rundherum sehe ich noch immer vor mir. Damals machte schnell das Gerücht die Runde: »Da gibt es ein junges Mädchen aus Kärnten. Die schaut immer so böse, ist aber sehr talentiert.«

Wie sind die Strukturen im Poolbillardsport – von regionaler bis internationaler Ebene – aufgebaut?

Alles beginnt in den jeweiligen Clubs, dann gibt es den Landesverband, den Österreichischen Billard-Verband mit Ligabetrieb bis hinauf zur Bundesliga. Hat man es als Jugendliche in den A-Kader geschafft, gibt es gemeinsame Kadertrainings und man wird ausgestattet. Ähnlich wie in anderen Sportarten, gibt es noch Europa- und Weltmeisterschaften, Grand-Prix oder die World- Tour, die Weltranglistenturniere und die Pro Billiard Series.

© Alison Chang

Sie wurden 2010 Weltmeisterin bei der 10-Ball-WM, sind 27-fache Europameisterin sowie 18-fache Österreichische Meisterin. Was ist Ihr persönlich bedeutendster Erfolg?

Der Sieg bei der Weltmeisterschaft 2010. Mit diesem Titel springst du auf ein neues Level und trägst dich in die Geschichtsbücher ein. Auf ewig darf ich mich jetzt Weltmeisterin nennen – das ist schon toll. Mein schönster Erfolg war aber der Vize-Weltmeistertitel 2019. Die Zeit davor war sehr prägend, mit vielen Zweifel und Ergebnissen, die echt wehgetan haben. Danach im WM-Finale zu spielen, das hat mir viel bedeutet. Und ja: Unvergessen ist auch mein dritter Platz bei der Herren-WM 2007.

Ihr bester Weltranglistenplatz war Rang drei im Jahr 2016. Aktuell stehen Sie auf Weltranglistenplatz fünf. Was ist aus Ihrer Sicht noch möglich?

Ich hätte schon gerne noch einen weiteren WM-Titel. Es ist immer mein Ziel, die Nummer eins der Welt zu sein. Wichtig ist, vorne dabei zu sein, sich gut zu motivieren und so auf der Erfolgswelle zu bleiben. Es geht aber nicht nur um eine Platzierung, sondern um die Leistung an sich. Ich weiß, ich kann noch besser spielen und mehr aus mir herausholen.

An manchen Turniertagen stehe ich etwa sechs bis acht Stunden am Tisch.

Welche körperlichen und mentalen Fähigkeiten muss eine Poolbillardspielerin auf Ihrem Niveau mitbringen?

Billard ist eine absolute Präzisionssportart. Du musst über viele Stunden körperlich die Spannung und mental die Konzentration halten können. Die Hand-Auge-Koordination ist feinjustiert, das Ballgefühl muss passen. Für mich gehören Kopf und Körper zusammen. An manchen Turniertagen stehe ich etwa sechs bis acht Stunden am Tisch. Da braucht es eine gute Grundfitness. Hinzukommen die Anstrengungen vom Reisen und der Jetlag. Je fitter ich bin, desto besser kann ich mit diesem Stress umgehen.

Wie lange dauerte Ihr längster Turniertag?

In Amerika musste ich einmal in die Hoffnungsrunde, da stand ich fast zwölf Stunden – mit nur kurzen Pausen – am Tisch. Mein längstes Match dauerte drei Stunden und 45 Minuten. Generell rechnet man pro Spiel mit etwa 90 Minuten.

Wie sieht Ihr Trainingsplan aus?

Pro Trainingseinheit stehe ich drei Stunden am Tisch. In intensiven Phasen vor Wettkämpfen mache ich zwei Trainingseinheiten pro Tag. Da arbeite ich hochqualitativ und ganz allein an bestimmten Bereichen wie Technik, Taktik oder kritischen Stößen. Dann gehe ich etwa sechs Stunden pro Woche in den Matchmodus, um Spielpraxis zu generieren. Etwa fünf Stunden wöchentlich widme ich dem Fitness- und Gesundheitstraining mit Functional-Fitness, Radfahren, Laufen oder Schwimmen. Meine Mentaleinheiten belaufen sich auf etwa eine halbe Stunde pro Tag mit Atmen, Meditieren, Analysieren oder Visualisieren. Das lässt sich aber oft mit anderen Aktivitäten koppeln.

© Wolfgang Janach

Welche Rolle spielt die Regeneration?

Regeneration ist sehr wichtig. Früher war das oft ein Problem, weil ich immer weitergemacht habe, bis der Körper eines Tages rebelliert hat. Heute weiß ich, dass ich mit Gefühl in mich hineinhorchen muss, dass es Auszeiten braucht, um die Reset-Taste zu drücken. »Stopp« zu sagen, ohne sich dabei schlecht zu fühlen, habe ich erst lernen müssen.

Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen wie das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich, sechsfache Kärntner Sportlerin des Jahres, dritter Platz bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres in Österreich?

Diese Auszeichnungen sind insofern etwas ganz Besonderes, weil sie zeigen, wie sich die öffentliche Wahrnehmung entwickelt hat, dass man etwas bewegt und dass die Leistungen auch honoriert werden, sportlich und menschlich.

Ich konnte bei Dancing Stars die Geschichte meines Sports erzählen.

Sie waren bei der letzten Staffel von Dancing-Stars dabei und schafften es bis ins Finale. Was ist Ihr persönliches Resümee?

Die Wahrnehmung war der Wahnsinn! Dabei habe ich gemerkt, dass es viel ausmacht, wenn es um mich als Person geht. Ich werde österreichweit viel darauf angesprochen, darf Autogramme geben, Kinder wollen Fotos mit mir. Selbst in den USA fanden meine Tanzvideos unter den Billard-Kolleginnen Beachtung. Das Training mit meinem Tanzpartner Florian Gschaider war ein absolutes Abenteuer und eine unglaubliche Herausforderung. Ich bin drei Monate körperlich und mental an meine Grenzen gegangen, habe unglaublich viel gelernt und durfte auch Emotion, Ausstrahlung und Menschlichkeit zeigen. Das ist im Billardsport weniger gefragt.

Inwieweit hilft eine derartige mediale Aufmerksamkeit, auch den Billardsport einem breiteren Publikum näher zu bringen?

Ich konnte bei Dancing Stars die Geschichte meines Sports erzählen. Das hilft dabei, das Bild von Billard als »Studentenbeschäftigung« um jenes des Profisports zu erweitern. Durch solche Formate erreiche ich ein ganz anderes Publikum und kann mit Klischees aufräumen. Langfristig hilft eine wertschätzende Wahrnehmung auch dabei, Strukturen innerhalb des Sports zu verbessern, neue Sponsoren darauf aufmerksam zu machen oder mehr Nachwuchs in die Billardclubs zu bringen, um sie für diesen Präzisionssport zu begeistern.

© EPBF/DK 2019

Welche Rolle spielen die sozialen Medien in Ihrer Vermarktung?

Gerade während der Pandemie, als alle Turniere abgesagt wurden, habe ich mich verstärkt mit Social Media, mit der Erstellung von Videos und dem Onlinebusiness beschäftigt. Das gehört mittlerweile für jede Sportlerin und jedes Unternehmen dazu. Wenn der Content gut gemacht ist, hilft es ungemein, die Wahrnehmung zu verbessern und damit auch seine Werte und jene der Kooperationspartner zu transportieren.

Welche beruflichen Pläne schmieden Sie für Ihre Zeit nach der aktiven Karriere?

Ich hoffe, dass ich noch lange als Billardprofi aktiv sein kann und noch einige Ziele erreiche. Generell sehe ich kein bestimmtes Ablaufdatum. Solange die Hand-Augenkoordination noch stimmt, geht es locker bis mindestens 45 Jahre. Zudem bin ich bereits jetzt in der Organisation der World Pro Billard Series in Klagenfurt aktiv. Da möchte ich gerne dranbleiben – und dann gibt es noch meine Billard Sport Academy, die ich mit meinem Bruder Albin weiter voranbringen möchte. Ideen und Möglichkeiten gibt es jedenfalls genug.

Frau Ouschan, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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