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Schalke-Ikone Gerald Asamoah: »Ich möchte nicht, dass meine Kinder das gleiche durchleben müssen wie ich«

Lesedauer: 7 Minuten

© Gerald Asamoah

Gerald Asamoah, 43, steht für gute Laune, klare Meinungen und sportlichen Erfolg. Der in Ghana geborene Funktionär wurde trotz Herzfehler Fußballprofi, war der erste schwarze afrikanische Nationalspieler Deutschlands und ist mittlerweile eine echte Ikone. Die Schalke-Legende über einen Karriereplan, den es nie gab, sein unbändiges Engagement für gesellschaftskritische Themen und seine Stiftung als Herzensangelegenheit.

© FUSSBALL KONGRESS

Die Geschichte von Gerald Asamoah liest sich wie ein spannendes Buch, das noch nicht zu Ende geschrieben ist. Im Alter von zwölf Jahren kommt »Asa« nach Deutschland und beginnt das Fußballspielen bei Hannover 96. Dort schafft er es bis in die erste Mannschaft, ehe der FC Schalke 04 auf den in Ghana geborenen Offensivspieler aufmerksam wird. Noch vor seinem steilen Aufstieg droht Asamoah mit gerade einmal 19 Jahren das Karriereende, als ihm ein angeborener Herzfehler diagnostiziert wird. Entgegen der Empfehlungen aller Ärzte macht er weiter, betreibt Spitzensport. Jeden Morgen schluckt er eine Tablette namens Tenormin, die für einen normalisierenden Herzrhythmus sorgen soll, es sei für ihn wie Zähneputzen.

Sein Glaube und seine Überzeugung machen ihn später bei Schalke mit 279 Pflichtspielen und 63 Toren zur Vereinslegende sowie zu einem der erfolgreichsten Bundesligaspieler der Geschichte. Auch beim Nationalteam hinterlässt er bleibende Spuren. Asamoah ist der erste schwarze afrikanische Fußball-Nationalspieler Deutschlands und wird bei der WM 2006 mit der DFB-Elf sensationell Dritter.

Es gibt aber auch nicht wenige Schattenseiten während seiner Laufbahn als Profi. Asamoah wird regelmäßig Opfer rassistischer Gewalt, von Auswärtsfans als »schwarzes Schwein« beschimpft. Eingebrannte Erinnerungen, die ihn bis heute begleiten und beschäftigen – Rassismus, ein Thema, gegen das er sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit vehement öffentlichkeitswirksam einsetzt.

Das wird auch beim FUSSBALL KONGRESS Deutschland am 13. Mai 2022 in Dortmund klar, bei dem wir als exklusiver Medienpartner vor Ort sind. Im Rahmen eines Backstage-Gesprächs plaudert das Schalke-Urgestein offen über Selbstverwirklichung, Empathie, gesellschaftliches Engagement und die Karriere nach der Karriere.

Gerald Asamoah Exklusiv: Er ist offenherzig, interessiert sich für seine Mitmenschen, hat ein großes Herz, hilft und engagiert sich, nicht zuletzt mit seiner Stiftung für herzkranke Kinder.

© Gerald Asamoah

Herr Asamoah, viele Menschen haben Ihnen eine so erfolgreiche Karriere als Funktionär nicht zugetraut. Gab es einen Karriereplan?

Wenn man als Fußballprofi gut spielt und nicht schlecht verdient, neigt man dazu, nicht viel über das Leben nach der Karriere nachzudenken. Das ist ein großes Problem im Profifußball. Aber irgendwann muss man sich fragen: Wo möchte ich hin?

Mein Wunsch war es, mich persönlich weiterzuentwickeln, etwas zu erreichen. Ich habe von Schalke 04 große Unterstützung bekommen und vieles ausprobiert: eine Trainerlizenz erworben, anschließend als Co-Trainer in der Jugend gearbeitet, ein Studium absolviert. Das Wichtigste das ich gelernt habe, ist Menschenführung – wie gehe ich mit meinen Mitmenschen um. Meine Karriere nach der Karriere war so nicht planbar, aber ich hatte immer ein Ziel im Blick: im Fußballbusiness zu bleiben.

Ja, es war eine richtige Challenge für mich, den ersten Trainer zu entlassen, einen Trainer, unter dem ich selbst noch trainiert habe.

Wieso die Entscheidung gegen den Trainerberuf?

Es war schön, als Jugendtrainer zu arbeiten, aber ich sehnte mich danach, etwas selbst zu gestalten, etwas zu bewegen, eigene Ideen umzusetzen. Diese Freiheiten habe ich in meinem Trainerdasein nicht in dem Maße verspürt. Aus diesem Grund orientierte ich mich neu.

Nach Ihrem Studiengang sind Sie Ende 2016 in die Führungsebene von Schalke 04 gewechselt. Sie haben in kurzer Zeit viel erlebt: der Abstieg mit der U23, nach einem Jahr der Aufstieg und zwei Trainerentlassungen.

Ja, es war eine richtige Challenge für mich, den ersten Trainer zu entlassen, einen Trainer, unter dem ich selbst noch trainiert habe. Das war hart und das wünsche ich keinem Menschen, aber dennoch sind es Erfahrungen, die man sammelt, und Hürden, die man erfolgreich meistert.

Der Fußballer mit dem Herzfehler: »Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man Unterstützung benötigt. So wie mir damals geholfen wurde, möchte auch ich helfen, dafür brauche ich keine Motivation, das ist einfach menschlich.«

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Sie sind jetzt seit einem Jahr »Leiter Lizenz« bei Schalke 04, eine Schnittstelle zwischen Mannschaft und Trainer. Was sind Ihre Tätigkeiten?

Kurz gesagt versuche ich, dem Trainer und der Mannschaft den Rücken freizuhalten, das ist dieses Jahr sehr gut gelungen. Ich bin das Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainer sowie Management und verantworte die Fachbereiche im Profileistungszentrum.Es ist wichtig, seine Erfahrung als Spieler einzusetzen und auf die Mannschaft zu hören, um eine enge Verbindung zu den Spielern aufzubauen. Gleichzeitig hilft man auch in der Organisation. Es erfüllt mich, macht Spaß und ist jeden Tag eine neue Herausforderung.

Ist Empathie ein Faktor, um in Ihrem Job erfolgreich zu sein? Einer Ihrer Spieler meinte: »Asamoah ist einer, mit dem man lachen kann, der aber auch auf den Tisch hauen kann. Gleichzeitig hat er immer ein Ohr für dich, du kannst immer mit ihm sprechen.«

Empathie ist sehr wichtig in diesem Beruf. Ich bin ein guter Beobachter, erkenne und weiß, wann ich einen Spieler runterholen, ihn zurechtweisen oder ihn auch in den Arm nehmen muss, um ihn zu fragen: »Hey, wie geht es dir?«

In der immer wieder aufkommenden Rassismus-Debatte werde ich meinen Mund nicht halten und dafür meine Chance nutzen, um über das wichtige Thema zu sprechen.

Der Aufstieg von Schalke 04 war ein Aufstieg des Willens und der Mentalität. Ist diese Einstellung von euch bewusst implementiert worden?

Wir sind sang- und klanglos abgestiegen, da sind viele Sachen nicht gut gelaufen. Es sind oft Kleinigkeiten, die entscheiden. Wir haben nach dem Abstieg die Hierarchie verändert und beispielsweise in der Kabine ältere und jüngere Spieler nebeneinandergesetzt, damit diese voneinander lernen und profitieren können. In meiner Zeit als Profi war es normal, dass der Kühlschrank von jungen Spielern aufgefüllt wird. Solche Dinge muss man den Jungs beibringen, das liegt in unserer Verantwortung.

Gesellschaftliches Engagement ist eine wichtige Säule in Ihrem Leben. Sie sind mit einem Herzfehler Profifußballer geworden, hätten Ihre Karriere beinahe beenden müssen, haben 2007 eine Stiftung für herzkranke Kinder gegründet und setzen sich gegen Rassismus ein. In diesem Jahr wurden Sie dafür mit dem Laureus World Sports Award ausgezeichnet. Was motiviert Sie, sich zu engagieren?

Ich habe aufgrund meiner Bekanntheit das Privileg, dass mir einige Leute zuhören – und dieses Privileg nutze ich aktiv. Ich möchte nicht, dass meine Kinder das Gleiche durchleben müssen wie ich damals. Das war nicht schön, deswegen kämpfe ich für Gleichberechtigung, dass Menschen nicht nach ihrem Aussehen oder ihrer Herkunft beurteilt werden. In der immer wieder aufkommenden Rassismus-Debatte werde ich meinen Mund nicht halten und dafür meine Chance nutzen, um über das wichtige Thema zu sprechen.

Auch die Stiftung ist eine Herzensangelegenheit für mich. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man Unterstützung benötigt. So wie mir damals geholfen wurde, möchte auch ich helfen, dafür brauche ich keine Motivation, das ist einfach menschlich.

© FUSSBALL KONGRESS

Diese gesellschaftsrelevanten Themen finden bei Konzernen und in der Sportbranche immer mehr Gehör. Sehen Sie hier insbesondere Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, in der Verantwortung, diese Themen weiter voranzutreiben?

Jeder Mensch muss sich fragen: Was möchte ich zurückgeben? Wenn es einem gut geht, sollte man immer über den Tellerrand hinausblicken, um zu sehen, wie es anderen geht – das ist mein Credo. Auch meine Stiftung erfüllt mich sehr, wenn man frisch operierte Kinder an den Krankenbetten besucht und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Ich möchte keinem vorschreiben, was er machen soll, aber es gibt nichts Schöneres, als etwas zurückzugeben.

Wenn Sie auf Ihre Vergangenheit zurückblicken und resümieren. Bereuen Sie etwas?

Ich bereue nichts und würde den gleichen Weg wieder gehen. Meine über die Jahre gewonnene Erfahrung möchte ich nicht missen.

Herr Asamoah, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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